Eure Wohltätigkeit kotzt mich an
Ich muss das mal loswerden – habe irgendwie den Eindruck, dass das Stiftungs-, Spender und Wohltätigkeitswesen wohlhabender Herren (ja sind halt meist Herren) in letzter Zeit nochmal signifikant zugenommen hat. Bill Gates will sich nur noch der Entwicklung von Impfstoffen widmen mit seiner Stiftung, Hasso Plattner fördert Fussballvereine und Bio-Tec Unternehmen, der Ex-Porsche Boss spendet einen Teil seiner aberwitzigen Abfindung für soziale Stiftungen usw.
Meist wird das von der Presse dann gerne aufgenommen und mit Vorliebe als unglaubliche Grosszügigkeit dargestellt der man eigentlich als Gesellschaft (und ehemals kritische Presse) nur mit tiefer Dankbarkeit begegnen kann.
Jetzt ist es sogar so, dass ich Bill Gates tatsächlich verehre – er hat ein Zeitalter wie kein anderer geprägt das ich in keinem Teil missen möchte, auch nicht die Bluescreens und Nächte der Optimierung des konventionellen Speichers.
Und natürlich ist es lobenswert und gut die Entwicklung von Impfstoffen mit privaten Geldern voranzutreiben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es bei weitem besser und effizienter funktioniert als wenn eine Regierung oder eine Organisation mit dem gleichen Geld dieses Ziel verfolgen würde.
Dennoch kotzt es mich unglaublich an.
Und zwar einfach weil es skandalös und absurd ist, dass ein Mensch so viel Geld auf sich vereint. Zumindest so lange auch nur ein anderer auf der Welt an Hunger leidet, ein Kind an einer heilbaren Krankheit stirbt oder eben jemand mit einem Medikament überleben könnte das er sich nur leider nicht leisten kann.
Und wenn diese Herren dann das schlechte Gewissen packt oder sie schlicht nicht wissen wo das ganze Geld hin soll dann sollen sie es spenden, ok. Aber bitte nicht erwarten, dass wir das irgendwie grossartig finden oder sie für Wohltäter halten. Die sollen einfach froh sein, dass es ihnen nicht abgenommen und ordentlich verteilt wird.
Denn zusätzlich zur Tatsache, dass es weder Bill noch Melinda Gates zusteht sich mit Ihrem zusammengerafften Geld als die Retter der Menschheit aufzuspielen finde ich die Tatsache schlicht unerträglich, dass es einem postpubertären Computerfuzzi obliegt für welche Krankheit nun forciert Impfstoffe entwickelt werden und welches Land die Gnade erfährt diese zu bekommen.
Wie gesagt – nichts gegen Bill Gates. Er soll seinen Wohlstand haben und von mir aus an jeder Wand zehn vernetzte Bilderrahmen die seine private digitalisierte Picasso-Sammlung zeigen. Geschenkt. Aber ob ein Kind in einem Slum in Nigeria einen Impfstoff erhält oder nicht kann einfach nicht im Wohltätigkeitsermessen dieses Mannes liegen.
Natürlich geht es dabei nicht nur darum wer das Geld verwaltet und entscheidet wo es eingesetzt wird. Meiner Ansicht nach gehört das Geld einfach nicht da hin. Dieses Geld gehört – und zwar nicht als Spende oder irgendwiegeartete Wohltätigkeit – in die Hände eines demokratisch gewählten Staates der es für die Entwicklung von Impfstoffen, Entwicklungshilfe oder in Gottes Namen Strassenbau einsetzen soll.
Wie das genau gehen soll weiss ich nicht, Steuern, gesetzliche Gehaltsbegrenzungen oder was auch immer. Ich bin mir aber sicher – wenn es einen gesellschaftlichen Konsens gibt, dass wir so eine Geldverteilung ablehnen werden sich Mechanismen finden die immer noch genügend wirtschaftliche Dynamik und Möglichkeit persönlichen Erfolgs zulassen.
Ach und von der Presse, also dem Qualitätsjournalismus wie man ja derzeit zu sagen pflegt würde ich mir manchmal ein bisschen mehr Reflektion in diesem Sinne wünschen. Muss ja nicht jedesmal ein gesellschaftspolitischer Exkurs sein. Aber einfach nur PR-Abteilung für das schlechte Gewissen dieser Herren zu sein ist auch arm, oder?
Nachtrag: Es gibt einen weiteren Aspekt, der die Sache nochmal verschlimmert. Stiftungen werden ja zusätzlich heftig vom Staat – also durch Steuermittel – subventioniert. D.h. die private Wohltätigkeitswillkür der Herren entzieht sich nicht nur der staatlichen (und damit demokratischen) Kontrolle, sondern der Staat verschiebt sogar die Grenze nochmal bewusst in diese Richtung. Sehr schön dargelegt in einer Sendung des Deutschlandradios vor kurzem.