June 20th, 2017 — 8:15am
Ich habe 130 Stunden Psychotherapie hinter mir – einen guten Teil ohne Zweifel deshalb, weil meine Mutter im Alter von 7 Jahren vor den Bomben aus Breslau fliehen musste, der Vater hatte sie schon verlassen, die eigene Mutter liess sie dann auch noch zurück. So kam sie erstmal alleine in Dankerode an, spätere DDR. Ein unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling. Von dort ist sie dann rund um den Mauerbau nochmal geflohen, auf einem untermotorisierten Moped in eine ungewisse Zukunft. Wurde wieder aufgenommen, diesmal in Stuttgart. Mein Vater wurde ausgebombt in der gleichen Stadt und musste als 10-jähriger Junge mehrfach aufs Land fliehen – dort wurden sie von Bauernhöfen aufgenommen und versorgt. In der gleichen Zeit sind übrigens tausende vor den Mordtruppen des Nazi-Regimes geflohen, interessanterweise genau umgekehrt zur heutigen Fluchtroute aus Syrien zu uns. Die Flüchtlingslager des zweiten Weltkrieges standen unter anderem in Syrien. Diese Flucht-Geschichten waren nicht nur oft dramatisch und viele sind dabei trotzdem umgekommen- sie haben auch fast immer tiefe Narben hinterlassen in den Seelen der Geflüchteten.
Man könnte also sagen – wir sollten alles dafür tun, Flüchtlingen in unserer Zeit eine Zuflucht zu bieten – schon allein aus Dankbarkeit und in Erinnerung an die eigenen Flucht-Geschichten. Will ich aber nicht sagen – denn Menschen in Not zu helfen ist in aller erster Linie eine humanitäre Pflicht, die ohne Vorbedingung und auch ohne Gedanken der wirtschaftlichen Verwertbarkeit ausgeübt wird. Weil wir Menschen sind.
Deshalb bin ich auch immer noch Angela Merkel für Ihren historischen und von großer Haltung geprägten “Wir schaffen das” Move dankbar. Und den tausenden freiwilligen HelferInnen, die dafür gesorgt haben, dass es nicht bei diesem Spruch alleine blieb. Ich habe mein Land selten mit so menschlichem Antlitz gesehen, auch in der Welt wurde das wahrgenommen mit großem Respekt.
Und jetzt müssen wir dran arbeiten, dass daraus eine gute Geschichte wird am Ende. Mit guten Integrationsangeboten, Offenheit, Warmherzigkeit. Auch das können wir schaffen.
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June 9th, 2017 — 9:31am
Interessant finde ich, wie sich das Thema “die scannen Deine emails” über die letzten Jahre entwickelt hat. Noch bis vor wenigen Jahren wurde Google & Co immer wieder angekreidet (z.B. hier), dass sie zwar einen kostenlosen Mail-Service anbieten – im Gegenzug aber ungefragt alle emails scannen und für Werbe-Optimierung auswerten. Deutsche Mail-Provider haben immer wieder auf diesen Umstand hingewiesen, und die Verletzungen von Datenschutz und (gefühltem) Briefgeheimnis moniert. Ich fand es selbst auch grenzwertig, und dachte immer da würde es irgendwann nochmal richtig Ärger geben, spätestens wenn z.b. die neue Datenschutz-Grundverordnung in Kraft wäre. Ich kann mich auch an einen Artikel von Sascha Lobo erinnern, in dem er ziemlich empört berichtete, wie nach einer privaten Mail-Kommunikation zu einer Urlaubsplanung plötzlich an allen möglichen Stellen im Netz per Re-Targeting passende Angebote zum Reiseziel auf ihn einprasselten (kann den Artikel leider nicht mehr finden, nur dieses jüngere Update dazu ohne die persönliche Story). Googles Antwort (wenn es mal eine gab) dazu war übrigens immer sinngemäss: “wir scannen zwar, aber wir lesen nicht. Das machen Algorithmen – der Inhalt der mails interessiert uns nicht.”
Dann wurde es stiller um die Sache, Leute fanden sich damit ab. Eine typische Phase in Sachen Datenschutz – kleine Usability-Vorteile reichen aus, um bei den meisten selbst so gravierende Eingriffe in die persönliche Daten-Hoheit in den Hintergrund zu rücken. Aber auch sonst wurde es ruhig, weder der agile Hamburger Datenschutz-Beauftragte noch sonstige Akteure regten sich darüber auf – was natürlich auch damit zu tun hat, dass das alles rechtens ist/war, und die Leute schön brav per AGB (gelesen und verstanden) allem ihr ok gegeben hatten.
Und jetzt kommt die nächste Phase. Das ziemlich tolle Google Inbox ist da. Wenn ich jetzt z.B. ein Hotel buche, landet ein passender Eintrag in meinem Kalender – wie von Geisterhand. Auch wenn ich das Hotel in Google-Maps anschaue für die Wegplanung oder so, sind meine Buchungsdaten dort per lay-over hinterlegt. Total praktisch. Um solche tollen Services zu ermöglichen, hatte Google übrigens vor einiger Zeit seine AGBs angepasst und etwas getan, was vorher immer als no-go galt: Service-übergreifende Nutzung von Daten zum Standard gemacht. Alles nur aus besten Absichten, die AGBs wurden so kürzer und klarer, ausserdem natürlich einheitlich über alle Services. Und es war natürlich nicht nur Google, Microsoft z.B. ging fast noch forscher zu Werke und integrierte Daten aus allen möglichen Quellen per AGB-Reform.
Aber das ist ja Vergangenheit, Google Inbox ist heute – und es ist nur der Anfang. In den nächsten Monaten und Jahren werden wir immer faszinierendere Services sehen, die irgendwas praktisches oder nettes für uns machen, automatisieren und so. Nicht nur in Mails, auch mit unseren privaten Fotos, später bestimmt auch Health-Records usw. (zu Photos hatte ich ja schonmal was geschrieben). In Zukunft werden dabei z.B. immer öfter auch Daten aus IoT Devices in unseren Wohnungen oder an öffentlichen Orten hinzukommen. Später auch Daten aus unseren Körpern oder sogar über Emotionen (bin selbst nicht ganz unbeteiligt daran), Gedanken (Facebook arbeitet mit Hochdruck an einer entsprechenden Brain-Machine-Schnittstelle). Die Gewichte in der Datenschutz-Debatte verschieben sich dabei nochmal deutlich. Heute wirkt Google-Mail schon eher wie ein smarter Service mit beeindruckenden Funktionen und GMX wie ein tumbes Postfach aus der Vergangenheit. Das Scannen der Mails ist nicht mehr creepy sondern Teil des Faszinosums. Und die Datenschutz-Debatte wird davon vermutlich schon bald ganz weggefegt – Datenschutz erscheint zunehmend wie so eine Art Diesel-Motor der europäischen Digital-Industrie. Und was soll ich selbst sagen – es besorgt mich sehr, aber ich bin auch all-in.
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