Ein kleiner Hack für den Winter, oder – wie man Millionen Haushalte schnell aus der Gasabhängigkeit bringen könnte
Nordstream 1 ist seit heute morgen abgestellt
Heute ist der erste Tag der vollständigen Abschaltung von Nordstream I – offiziell aus Wartungsgründen. Ob Russland danach wieder Gas über die Pipeline liefern wird, ist nicht sicher. Aber selbst wenn es auf dem gestrigen Niveau weiterginge, könnte es im Winter sehr eng werden in Deutschland. Nicht nur für die Industrie, sondern ggf. auch für Privathaushalte – von denen ziemlich genau jeder zweite in Deutschland mit Gas beheizt wird.
Heizen mit Strom ist die Zukunft – aber in weiter Ferne
Für Haushalte und vor allem HausbesitzerInnen gibt es einen relativ klaren Weg aus der Gas-Abhängigkeit hinaus – das Zauberwort lautet Wärmepumpe oder allgemeiner: Heizen mit Strom. Wärmepumpen tun das nur besonders effizient.
Der Einbau einer Wärmepumpe ist allerdings ein relativ aufwändiger und teurer Akt. Bei den besonders effizienten Modellen mit Grundwasser-Anschluss muss tief ins Erdreich gebohrt werden, bei anderen Varianten ist die Verlegung von Rohren draußen im Erdreich nötig, aber auch die einfache Luftvariante ist nicht einfach zu installieren – insbesondere wenn man sich Ärger mit den Nachbarn und sich selbst ersparen will.
Für den kommenden Winter gibt es aber noch ein paar weitere Probleme, wenn man jetzt möglichst viele Haushalte mit so einer Technik aus der Gas-Abhängigkeit bringen wollte. Es fehlen HanderwerkerInnen, es fehlt Material, die Förderkonzepte sind gerade im Umbau, vielen dürfte auch einfach das Geld für den Umbau fehlen (gerne mal 20.000-40.000 EUR). Und es fehlt so langsam schon an Zeit – so ein Umbau dürfte üblicherweise je nach Variante mehrere Wochen dauern.
Mit Tauchsieder gegen Putin
Doch da bin ich dann beim Rumüberlegen auf eine spannende Zwischen-Variante gestoßen, man könnte fast von einem kleinen Hack des Systems sprechen. Also wenn ich jetzt sagen würde man kann eine bestehende Gas- oder Öl-Heizung an einem Nachmittag mit Geldeinsatz unter 1000 EUR auf teilweisen Strom-Betrieb umstellen, hätte das ein bisschen Hack-Charakter, oder?
Aber genau das ist möglich, und zwar mit sogenannten Elektro-Zusatzheizungen, Heiz-Patronen oder Heizstäben.
Und ja, wenn sich das anhört wie ein Tauchsieder gegen Putin, so ist es auch tatsächlich zu verstehen. Viele modernere Heizanlagen verfügen nämlich standardmäßig über eine Einbauvorrichtung um in der Tat einen kleinen Heizstab einzuschrauben, der einfach über die Steckdose betrieben werden kann und das Warmwasser für die Heizung (und das Duschen!) hilfsweise oder unterstützend erzeugen kann (ein bisschen fachliche Einordnung hier – an sich ist die Idee natürlich dass diese Zusatzheizungen PV-Strom bekommen). Die ganze restliche Heizung muss dafür überhaupt nicht verändert oder umgebaut werden – sie regelt einfach nur die Gas-Zuheizung entsprechend runter wenn sie feststellt, dass das aufzuheizende Wasser schon relativ warm ist.
Der Grund für diese Vorrichtungen liegt in der Vorbereitung auf den Einsatz von Wärmepumpen und Photovoltaik-Unterstützung (PV). Bei Wärmepumpen kann es vorkommen, dass so eine Zusatzheizung ab und zu benötigt wird und in Bezug auf PV kann es sehr klug sein, diesen Strom zumindest teilweise direkt in Wärme-Erzeugung umzuwandeln. Deswegen gibt es auch einen ordentlichen Markt für derartige Module und Heizstäbe und es sind Modelle von 100 EUR ab in allen möglichen Varianten erhältlich.
Ein schönes Video dass die Grund-Idee erläutert von einem der prominentesten Hersteller derartiger Heizkassetten hier:
Auch ohne Warmwasser-Kessel möglich
Selbst für den Fall, dass die eigene Heizung nicht mit Warmwasser-Kessel arbeitet, sondern mit einem Durchlauferhitzer oder einer Therme mit kleinem eingebauten Speicher gibt es eine Lösung, die auf diesen Zusatz-Heizungen basiert – nämlich ein Einbau einer Heizkassette in den Warmwasserkreislauf, ein Beispiel-Video z.B hier:
Mitigieren der kommenden Gas-Krise
Ich finde diesen Hack für die kommende Gas-Krise in Deutschland in mehrfacher Weise spannend. Zum einen wäre es schlicht ein schnell verfügbarer Mechanismus, um möglichst viele Gas-Heizungen aus der totalen Abhängigkeit von diesem Rohstoff zu bringen. Zum anderen ist es eine schnell umsetzbare Lösung, um eine mögliche Notlage im Winter besser zu mitigieren (es wurde ja jetzt z.B. darauf hingewiesen, dass schon bei einfachen Druck-Schwankungen im Gas-Verteilsystem viele Thermen sich abschalten könnten und ggf. nur durch Fachleute wieder in Gang gebracht werden könnten). Eine komplett ausfallende Heizung ist nicht nur ein praktisches und ein psychologisches Problem – es braucht nur wenige harte Wintertage und die Heizungen würden schlimmstenfalls auch reihenweise einfrieren und damit generell inkl. Wasserschaden reparaturbedürftig werden. Mit einer Strom-Notheizung ließe sich das generell vermeiden. Und diverse Erfahrungsberichte im Internet legen nahe, dass mit so einem 2kW-Heizstab ein Heizkessel bereits nach kurzer Zeit auf über 40C Wärme gebracht werden kann – damit wäre also weit mehr als nur Frostschutz möglich.
Auch die Energie-Wende könnte davon profitieren
Zum anderen hätte dieser Hack sogar noch eine interessante Mittel- und Langfrist-Perspektive – denn es würde ja immer noch schrittweise das Heizen auf Strom umgestellt. Wenn auch weniger elegant als mit hochtechnischen Wärmepumpen, aber eben doch – vielleicht könnte darin ja sogar eine intelligente Brücken-Technologie für ein paar Jahre entstehen, dass man die bestehenden Heiz-Systeme nutzt und einfach erstmal langsam auf Strom umstellt. Dann könnten die Strom-Verteilsysteme und Steuerungen auf die neuen Verhältnisse angepasst werden – z.B. indem man Logiken und Anreizsysteme entwickelt, die diese Heizmodule dann anspringen lassen, wenn besonders viel regenerativer Strom im Netz ist (“Nachtspeicherheizung 2.0”). Auch das Problem mit der Speicherung würde man damit intelligent erweitern, denn Wasser-Speicher sind ja letztlich auch Batterien – sogar mit deutlich höherer Kapazität als deren elektrische Schwestern. Unten eine Berechnung aus dem MYPV Video von weiter oben:
What could Habeck do?
Tatsächlich wäre es relativ einfach für das Ministerium eine solche Schnell-Umstellung mit anzuschieben. Man könnte einfach einen kleinen Fördertopf für Elektro-Zusatzheizungen aufsetzen, der unbürokratisch abgerufen werden kann. That’s it. Später könnte man sich Modelle einfallen lassen, den durch solche Module verbrauchten Strom besonders zu bezuschussen – im Prinzip wie seinerzeit die Nachtspeicherheizungen, nur halt etwas intelligenter und digitaler gesteuert.
Vor allem aber hätte die Bundesregierung damit ein Mittel in der Hand um bzgl. der kommenden Gas-Krise mehr als nur “weniger Duschen”, “wir kaufen alles Gas, das wir kriegen können” und “vll. müssen wir irgendwen dann abdrehen” zu propagieren – mit schönen Seiten-Effekten, um darauf aufbauend den Gebäude/Wärme-Sektor dann auch konsequent auf Strom und Erneuerbare umzurüsten.
Aber man muss natürlich nicht auf die Regierung warten – mein Modul habe ich schon bestellt.
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