Category: FAZ & Co


Wie soll es jetzt überhaupt weitergehen?

June 15th, 2014 — 1:55pm

Sprachlosigkeit ist eine denkbar schlechte Ausgangslage. Aber irgendwie muss und will man auch was sagen zu diesem Verlust, man weiß, die Tage sind nun endlich, die das noch zulassen – gibt es nicht irgendeinen indianischen Ritus wo 40 Tage nach dem Tod eines Menschen nochmal gefeiert wird, ausgelassen? Irgendsowas.
Was in den vielen Nachrufen komischerweise nie erwähnt wurde, soweit ich bisher sehen kann, ist sein Büro in Frankfurt. Ein magischer Ort. Mit einer Wächterin davor, die in vielfacher Weise den Zugang zu „FS“ regelte, der schon seit langer Zeit auf Emails einen Autoresponder reagieren liess, mit der Auskunft er sei „zur Zeit nicht erreichbar“, „in dringenden Fällen“ möge man sich an xy wenden (allein schon dieses Detail, dass ausgerechnet er seine emails grundsätzlich von einem Bot beantworten lässt). Drinnen eine wirre Höhle, ein Mischung aus Gelehrtenstube, Ort eines Besessenen (überall lagen aufgeschlagene Bücher, Stapel von Zeitschriften, historische Bücher usw.) und Corbusier-Sitzecke, diverse Büsten (so zumindest in meiner Erinnerung) und historische Gegenstände, Bücher über Bücher, Dunkelheit. Und da lädt er einen ein und spricht 2h über Algorithmen und Journalismus. Das war wie ein Rausch.
So viel aufrichtiges Zuhören und Interesse und gleichzeitig Leidenschaft im Vorantreiben der kümmerhaften Ideen und Einwürfe die man vorzubringen in der Lage war, das war unglaublich, inspirierend, klar, fordernd und weit über alles mögliches hinausweisend irgendwie, dabei trotzdem verbindlich, warmherzig. Ich war ja leider eh ein Fanboy seiner Zeitung, wie mir bald auch klarwurde wirklich SEINER Zeitung, denn so viel von dem was man am Feuilleton der FAZ und dem Projekt der FAS tollfinden konnte ging vermutlich ganz oder in weiten Teilen auf sein warmes und leidenschaftliches Herz zurück…

schirrmacher

(allein diese mail – NIEMAND interessiert sich für ‘predictive targeting’, schon gar nicht ‘sehr’. Schon gar nicht der Herausgeber der FAZ. Aber er tat es wirklich.)

Als wir da saßen, sprachen wir auch über das Verhältnis von Empfehlungsalgorithmen und dem redaktionellen Prinzip der Empfehlung, Serendipity included, also der Art wie Redakteure und Journalisten Inhalte zu einer Zeitung zusammenstellen, so dass es eben mehr ist (viel mehr) als „andere haben das gelesen“. Aber er machte es sich ja nicht so einfach zu sagen die Algorithmen seien zu blöd – nein, wir sprachen über die Notwendigkeit kuratierter Algorithmen, die menschliche Intelligenz (also den Redakteur) mit der maschinellen Intelligenz verknüpften um daraus neuartige digitale Services zu entwickeln, die die Qualität einer guten Zeitung (bzgl. Kuration und Inhalt) mit der Skalierungsfähigkeit und überhaupt den Qualitäten guter Algorithmen (ja, daran glaubte er auch) verbinden würden. Dabei sprachen wir übrigens auch über eine spezielle Ausgabe von „Technik und Motor“, die einige Wochen vorher erschienen war und sich auf einer ganzen Seite mit Spielzeugkränen beschäftigte – für mich ein schönes Beispiel dafür, welche verrückte Qualität Zeitung haben kann und wie weit die FAZ das bisweilen ausloten konnte.
Und natürlich sprachen wir auch über die Bedrohung hinter den Algorithmen, das hat ihn natürlich zutiefst beschäftigt, allerdings auf eine neugierige, offene Art – ein wenig anders, als es jetzt vielfältig dargestellt wurde, und zugegeben auch anders als es in der FAZ in den letzten Monaten so rüberkam.
Als ich dann in Venedig am Gepäckband stand und mir spontan die Idee kam einen Text über Algorithmen-Ethik zu schreiben schickte ich ihm – noch am Band stehend – eine kurze mail mit der Frage, was er davon hielte. Innerhalb weniger Sekunden kam die Antwort von seinem Autoresponder. Nochmal ein paar Sekunden später ein Einzeiler von ihm mit der Aufforderung, den Text zu machen. Dann, als er im Blatt war (Gott war ich stolz) ein paar Tage später wieder eine einzeilige mail „War ein phantastischer Text.“
Wie er mit mir kleinem Licht umging und mit welcher Begeisterung er in unserem Gespräch dabei war, aber auch bei Textideen später, das hatte was von einem warmen Wahnsinn, ganz wie sein Büro übrigens das auch ausstrahlte. Und es war so inspirierend und beeindruckend.
Lieber Herr Schirrmacher, ich weiß noch immer nicht, wie ich es ausdrücken soll, was jetzt alles fehlt, und wie sehr einem das die Kehle zuschnürt. Das ist im Prinzip völlig uferlos. Aber ich bin zutiefst dankbar einen kleinen Ministrahl eines warmherzigen, genialen, verzweifelten und so nah am Wahnsinn operierenden Menschen abbekommen zu haben – übrigens nicht mal nur durch diese eine kleine Begegnung, nein, sondern zuvor schon jahrelang durch ein exzellentes Feuilleton, das schon lange bevor Sie sich dazu bekannten oft die klügsten linken Positionen gegen die erzkonservativen Blattkollegen formulierte, das unglaublich vorausschauend eine kluge netzpolitische Debatte aufzog (im Feuilleton!!), die klügsten Beiträge zur Finanzkrise brachte (im Feuilleton!), das lange Zeit die beste Medienseite der Republik hatte und überhaupt. Man kann es nicht beschreiben.

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Warum die Löschaktion der ARD zu begrüssen ist

July 25th, 2010 — 9:41am

Es gilt ja die ziemlich einhellige Meinung, dass die Lösch-Aktionen der ARD im Internet ein Skandal sind, @343max und @mspro sprachen in Ihrem Podcast gar von einer Sache für die wir uns bei späteren Generationen werden rechtfertigen müssen als wäre es eine Art digitale Bücherverbrennung (der Vergleich wird tatsächlich von Holger Köpke gezogen), was da passiert.

Und ich muss zugeben, befremdlich ist es schon, wenn aufwändig mit Steuergeldern produzierte Inhalte einzig aufgrund gesetzlicher Bestimmungen vom Netz genommen werden.

So blöd kann doch eigentlich keiner sein…

Der Rundfunkstaatsvertrag erzwingt dieses Verhalten aber aus einem erstmal leicht nachvollziehbaren Grund: der Sendeauftrag der Öffentlich-Rechtlichen ist nur begrenzt und es soll verhindert werden, dass durch eine überzogene Ausweitung im Internet anderen Anbietern mehr Konkurrenz gemacht wird als erlaubt ist.

Damit man sich dann maximal darüber aufregen kann, wird diese Meinung auch lautstark von den Vollzeit-Lobbyisten der Publisher-Verbände verteidigt (so z.B. Christoph Fiedler vom VDZ).

Für die Netzgemeinde ist damit klar: Löschen ist böse!

So einfach ist es aber nicht. Continue reading »

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Wieviel Blödheit steckt eigentlich in der Print-Krise?

April 18th, 2010 — 9:59am

Ich bin ja ein wirklicher Print-Fan und davon überzeugt, dass die Print-Krise einen erheblichen kulturellen und gesellschaftlichen Schaden verursachen könnte, den das Internet vielleicht nicht auffangen kann. Ein schönes Beispiel dafür ist die wöchentliche “Technik und Motor” Beilage der FAZ. Dort präsentiert sich seit Jahren ein buntes Sammelsurium aus Auto-Berichten, Computer-Besprechungen aber auch Tests zu Keramikmessern, Fritösen ohne Fett oder neuartigen Landmaschinen. Sozusagen ein Musterstück der Serendipity, denn häufig liest man Artikel zu wirklich abwegigen und verrückten Sachen aber nicht selten auch einfach exzellente Produktbesprechungen zum Nexus One zum Beispiel. Und das alles auf einem Qualitätslevel der in vieler Hinsicht (und erst recht in der Breite) unerreicht ist. Die Unabhängigkeit und Objektivität der Autoren ist nahezu über jeden Zweifel erhaben. Die Auseinandersetzung mit den Produkten ist leidenschaftlich und kritisch distanziert zugleich, manchmal sind die Beiträge auch noch wundervoll zu lesen (z.B. ein Bericht über die Yamaha Vmax, leider hinter der Bezahlschranke).

Aber jetzt zu der Blödheit.

Es liegt in der Natur der Sache, dass man die besprochenen Produkte nicht selten kaufen möchte oder zumindest die hervorragenden Artikel speichern und an Freunde weiterleiten möchte. Da würde man denken das  müsste doch ein einfaches und leicht umzusetzendes Zusatzgeschäft für die FAZ sein…

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, denn die liebe FAZ macht es nahezu unmöglich die TuM Artikel in der Weise zu nutzen. Es fängt schon damit an, dass die Artikel sich nur mit grösster Mühe auf dem Online-Portal finden lassen. Und die Online-Version des Artikels bräuchte man halt schon, zum einen wegen der Weiterleitung, zum anderen wegen Bestellmöglichkeiten und ausserdem liebe FAZ könntet Ihr nur so ein paar zusätzliche Umsätze abgreifen und sei es durch dumme Affiliate-Links!

Die TuM-Artikel lassen sich schonmal deshalb schlecht finden, weil es TuM auf dem Online-Portal nicht gibt! Kaum zu glauben, oder? Ist aber so. Es gibt “Autos & mehr”, “Computer & Technik” und darunter auch “Mehr Technik”. Wo, liebe FAZ-Kollegen, soll ich denn jetzt den Artikel über die Espresso-Maschine aus dem letzten TuM genau finden? Der Artikel ist übrigens auch über die Suche nicht aufzufinden.

Bei dieser Gemengelage überrascht es natürlich nicht, dass Artikel die man findet Bestell-Links usw. vermissen lassen.

Was bitte ist so schwer daran einen Print-Artikel online auffindbar zu machen? Wie wäre es mit einem Show-View Code im Print mit dem man den Artikel sofort findet? Oder wenigstens einer Entsprechung von Online und Print-Produkt?

Wenn nicht mal so einfache Hausaufgaben erledigt werden frage ich mich wie das klappen soll mit Ipad und so. Fühle mich aber auch als treuer Leser und Abonnent des Print-Produktes nicht ernstgenommen. Ganz abgesehen davon, dass ich es für eine beispiellose Verschwendung von Ressourcen halte wenn man hervorragenden Content bewusst nicht auffindbar macht. Irgendwie seltsam diese Print-Krise.

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Verdummung an der Oberfläche

February 20th, 2010 — 12:19pm

Heute widmet das FAZ Feuilleton sich ja mal wieder dem Internet und der Herr Rieger vom CCC darf die Hälfte der ersten Seite gestalten (Artikel nur für Abonnenten zugänglich). Ist ja ok. Gestern hat die CCC-Sprecherin auch die erste Feuilleton-Seite gehabt und eine kleine Hacker-Ethik Vorlesung halten dürfen. Auch ok.

In dem heutigen Artikel geht es um die Verkehrsdatenanalyse und eine Darstellung der Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten, die sich in Zusammenhang mit Vorratsdatenspeicherung ergeben. Rieger spannt dabei den Bogen von militärischen Abhörmethoden aus dem ersten Weltkrieg bis hin zu heutigen Analysen des Kommunikationsverhaltens durch Polizeibehörden.

Zwei Dinge gehen mir dabei zunehmend auf die Nerven… Continue reading »

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Axolotl Roadkill: manirierter Scheiss

February 13th, 2010 — 9:35am

Irgendwie macht mich die Diskussion um das Buch und die Frau depressiv. Da ist zum einen die – wie ich jetzt denke – fast schon debil euphorische Besprechung von Maxim Biller in der Sonntags-FAZ. Dann natürlich der ganze Medien-Hype. Dann die Kopier-Geschichte. Auftritte bei Harald-Schmidt. Wäre alles zu ermüdend zu kommentieren.

Habe direkt nach der Biller-Lektüre das Buch bestellt (ja ich gebe es zu). Übrigens seltsam, dass die jammernde Print-Industrie das noch nicht als Einnahmequelle entdeckt hat – anderes Thema.

Was mich seitdem wundert ist, dass nicht einer mal sagt was für ein nerviger Scheiss dieses Buch ist.

“Dafür hatte ich plötzlich einen Schwanz aus Pappe, der aber nur zweidimensional war, genau wie das Kondom, das ich drüberziehen wollte. Das ging natürlich nicht. Ende.”

Treffender kann man es nicht beschreiben. Zweidimensional, vorhersehbar, schematisch. Das ganze ich leb so ein total schockerhaftes Leben Ding. Huuuch – sie hat Drogen gesagt! In dem Club wo sie hingeht gibt es einen Darkroom. Das Zimmer ist unaufgeräumt. Den Vater findet sie doof.

Usw.

Mich nervt diese schlampige, selbstverliebte und letztlich einfach nur manirierte, um Effekt bei den Eltern bemühte Schreibe wie kaum was anderes. Dann lieber die Bäckerblume.

Ach und noch unsäglicher wird das Ganze durch die unfassbar dämliche Debatte um Authentizität oder “Echtheit” wie sie selbst vom Feuilleton der FAZ aufgegriffen wird. Da wird debattiert ob jetzt Strobo echter ist oder Hegemann. Und natürlich ist das eine Frage literarischer Qualität, klar. Ich könnte so viele nichterlebte grandiose Bücher aufzählen, wo jeder einzelne Satz mehr Leben und Energie enthält als dieser blutleere und gewollte Quatsch von Frau ach erst 16 Hegemann.

Liebe Frau Hegemann, lieber Airen. Diese wahrhaft selbsterlebte Scheisse interessiert mich überhaupt gar nicht. Liebes Feuilleton, wie verzweifelt seid Ihr eigentlich? Muss mann schon nach Reich-Ranicki rufen um wieder Ordnung rein zu bringen? Ach komm.

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Schirrmacher, das Ipad und die freie Welt

February 4th, 2010 — 10:07pm

Der gute Herr Schirrmacher hat sich ja nun auch länglich in seinem Blatt zum Ipad geäussert (“Die Politik des Ipad”) – und einer seiner Mitarbeiter hat nochmal nachgelegt (“Das Ipad ist nur eine Fernbedienung“). Ist ja dieser Tage auch irgendwie fast geboten Apple runterzuschreiben für seine dreiste Verfehlung und die unfassbare Knechtschaft die von diesem Konzern über uns ausgebracht wird.

Da wird also argumentiert, durch die apps und das restriktive Modell der Belieferung des Ipads über Itunes würde das Internet reglementiert und mit einer kommerziellen Zwangsherrschaft versehen. Ausserdem seien die Apps nur auf Konsum ausgelegt und überhaupt sei auch die Verhinderung von Flash letztlich der Versuch das freie Internet abzuschaffen.

Was mich dabei vor allem wundert, ist die Schwachbrüstigkeit dieser Argumentation, dieses Unvorbereitete, Dahingeworfene. Also etwas was ich von der faz so nicht direkt erwarten würde.

Denn ich halte die aufgestellten Thesen für ziemlichen Bullshit mit Verlaub. Klar ist die app-Kontrolle durch Apple restriktiv und so. Übrigens genauso wie die Buchlizenzpolicy beim Kindle, die Themenauswahl des Wirtschaftsteils der faz und das Vorabendprogramm des ZDF. Und im Vergleich zu den genannten ist die Vielfalt der Iphone-apps ein anarchistischer Zoo.

Aber was ich vor allem nicht nachvollziehen kann ist, warum das Ipad den User wieder zum passiven Medienkonsumenten mit Kreditkartenanschluss degradieren soll der das Gerät nur noch als Fernbedienung nutzen kann. Weil er seinen Content über eine App anstelle eines Browsers bezieht. Und weil das Ding kein Flash kann. Klar.

Ist denn einem der beiden Herren mal aufgefallen, dass einer der grossen Turbos hinter dem partizipativen Web das Iphone ist? Und apps darauf? Welcher Mechanismus bitte macht mich weniger interaktionsfreudig bloss weil ich ein Twittericon aufrufe das mit der Api kommuniziert vs. wenn ich das selbst in den Browser eingebe? Diese These ist doch völlig absurd – vermute da ist ein bisschen eifrige Frankfurter Schule Lektüre noch nicht verdaut.

Ist es nicht vielmehr genau andersherum? Das was mich beim Ipad am meisten fasziniert hat, sind die revolutionären Interaktionsmöglichkeiten bei der Steuerung von iwork. Die, wenn sie nur halbwegs so funktionieren wie in der Präsentation, für alle UX-Designer die Freudentränen in Strömen fliessen lassen werden. Ich glaube viele Leute kommen mit dieser Einfachheit nicht klar und müssen deshalb so eine Fernbedienungsmetapher bemühen. Der Clou ist aber, dass das Gerät evtl. tatsächlich so einfach ist wie eine Ferbedienung aber das Potential hat zu dem Interaktionsgerät im Haushalt schlechthin zu werden. Wohlgemerkt: Interaktionsgerät.

Eigentlich ist es mir ja egal wenn die beiden Autoren sich da ein bisschen verrennen. Aber was mich ärgert ist die Ignoranz die dahinter steckt, dieses fahrige Runterschreiben entlang einfacher Leitplanken anstatt sich auch nur einmal wirklich mit dem Gerät auseinanderzusetzen. Und dann kommt das auch noch mit so einem kulturkritischen Weihrauch-Impetus daher von dem Schirrmacher immer, Mann Mann.

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San Francisco bald ganz ohne Tageszeitung?

March 16th, 2009 — 11:31pm

Wie heute in spon zu lesen steht die einzige noch verbliebene vernünfitge Tageszeitung in SF, der Chronicle offenbar ganz kurz vor dem Aus.

Experiment in San Francisco: Bürger sollen den Zeitungstod stoppen – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Netzwelt.

Das finde ich unfassbar. Irgendwie nimmt diese Print-Krise langsam Ausmasse an die mir nicht mehr geheuer sind. Ich bin damit gross geworden dass man sich über “seine” Zeitung definiert. Dass es selbstverständlich ist eine Zeitung abonniert zu haben. Dass man Zeitungsartikel im Deutschunterricht rauf und runter bespricht (deshalb habe ich leider bis heute eine Grundabneigung gegen die Süddeutsche wegen 100x Analysen des Streiflichts).

Sollte es wirklich dahin kommen dass grosse Tageszeitungen für immer verschwinden – auch in Deutschland? Ich befürchte davon sind wir auch nicht mehr weit entfernt.

Übringes gehörte zu dem obigen Zeitungs-Emanzipations-Prozess natürlich auch sich von der dämlichen Lokalzeitung irgendwann wegzubewegen zu taz und faz usw. (oder Handelsblatt…). Insofern könnte man sagen ist nicht so schlimm wenn die kleinen Lokalblätter kaputtgehen. Aber 1) habe ich selbst jahrelang den Allgäuer Anzeiger ausgetragen in meinem Heimatort und 2) tut mein Vater dies heute noch und 3) hätte er sonst nichts zu lesen am morgen. Also dürfen auch lokale Zeitungen nicht sterben.

Was mich aber vor allem beschäftigt ist die Frage was danach kommen soll? Kindle? Epaper? Oder Facebook und Konsorten?

Das was eine gute Tageszeitung ausmacht kann nicht mal annähernd durch diese “tools” ersetzt werden, ich glaube das ist jedem klar.

Absurderweise hat dies meiner Ansicht nach vor allem mit dem störrischen Wesen der Zeitung zu tun im Zeitalter von permanent nach persönlichen Vorlieben vorgefilterter Facebook-Weichspülkost. Die Zeitung lehrt und erzieht und zeigt uns jeden Tag Dinge die wir nicht gesucht und auch nicht geahnt hätten. Sie klärt auf und sorgt für eine Breitensozialisation mit den Schützenvereinen (ja mann winnenden), Sportfesten und Kirchchorvorführungen. Sie geht unerwartet in die Tiefe und schafft es sogar eine Premierenbesprechung die 500km entfernt vor zwei Tagen stattfand lesenswert erscheinen zu lassen. Zeitung ist auch Macht, Gegenmacht und Transparenz, eine ständige Gefahr für Maggelei und Seilschaftentum. An Ihr reibt sich die lokale Intelligenz, die Möchtegernliteraten und Kleinkünstler.

Es darf einfach kein Zeitungssterben geben.

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"Targeting" bei der ISAF – ein ekelhaftes Interview in der FAZ

January 17th, 2008 — 11:23pm

Meine alltägliche Arbeit hat viel mit Behavioral Targeting zu tun – einer Technik um Leuten Werbung einzublenden passend zu Seiten die sie vorher besucht haben. Wir haben damals mehrfach überlegt ob man so eine friedliche Technik wirklich so nennen sollte weil ja “Targeting” durchaus auch irgendwie militärischen Beigeschmack hat. Heute habe ich es erstmalig wirklich bereut dass wir es damals dennoch so belassen haben.
Muss nämlich in der FAZ von heute ein ekelhaftes Interview (“Auch über Panzer nachdenken”) mit einem feist grinsenden Bruno Kasdorf lesen (das Bild von ihm ist nur in der Print-Version zu sehen) – einem deutschen ISAF-General. Ein Auszug:

“FAZ: Ist das sogenannte Targeting, gezieltes Ausschalten gegnerischer Kämpfer, ein Vorgehen der Isaf wievon OEF?

Kasdorf: Das gibt es in beiden Operationen. Das ist Teil des Targeting, das ist Teil der Operationsführung.

FAZ: Das heisst, dass man es in bestimmten Situationen nicht darauf ankommenlässt, dass man Personen gefangen nimmt, sondern es darum geht, sie zu töten.

Kasdorf: Es ist erstmal unser Ziel, die Personen gefangen zu setzen. Aberes kann natürlich auch durchaus sein, dass bestimmte Personen gezielt ausgeschaltet werden.”

(hier auch online auf faz.net)

Wo sind wir eigentlich hingekommen?

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Bundesregierung subversiv

December 7th, 2007 — 10:24pm

Zitat heute von der Titelseite der FAZ, sozusagen der allererste Satz ganz links oben:

“BRÜSSEL, 6. Dezember. Die Bundesregierung will darauf achten, dass die von der europäischen Kommission geplante ‘Blue Card’ ihre Verantwortung für die Einwanderung nach Deutschland aushölt.”

Mensch Bundesregierung, welch späte Weisheit. Dass das Zusammenspiel mit der EU so lustig subversiv angelegt sein kann war mir bisher nicht klar…

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Adorno beim handelsblatt untergebracht…

December 3rd, 2007 — 5:15pm

Habe heute in einem Gastkommentar im handelsblatt unter dem zugegebenermassen theatralischen Titel “Die Seele ausverkaufen: Nein” ein Adorno Zitat aus den Minima Moralia untergebracht (Titel stammt nicht von mir). Man kann sich gar nicht vorstellen was das für mich bedeutet, also wie lange dieses Projekt jetzt lief. Habe Minima Moralia bestimmt vor zehn Jahren gelesen (nein, eher 15) und es hat mich geprägt wie kein zweites Buch. Sehe noch heute in meiner Ausgabe die hektischen Anstreichungen in unterschiedlichen Edding-Farben + Unterstreichung + Anmerkungen. Wahnsinn. Dann der ganze Marsch durch die Stationen (na ja), die Selbstaufgabe, das Fettwerden usw. Habe mich schon nicht mehr getraut das Buch aus dem Regal zu nehmen. Ein Coach hat mir dann mal empfohlen etwas zu nehmen was etwas weniger schroff die bestehende Wirklichkeit negiert, konkret “Empire” von Negri (http://www.amazon.de/gp/product/3593372304). Negri hat mal den bewaffneten Aufstand in Italien propagiert – ist aber echt nicht lesbar. Also stick with Adorno. Und was schmeisst mir der Weltgeist da vor die Füsse? Facebook und die social ads. Ist ja auch wirklich so als hätte Adorno von drüben noch die Fäden in der Hand und würde sich amüsieren…

Anyway, Handelsblatt, danke für alles. FAZ wäre noch schöner gewesen, aber was solls.

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