Liebe Delegierte des SPD-Parteikonvents,
auch ich möchte mich an Sie wenden mit einer Bitte zum kommenden Parteikonvent in Sachen Vorratsdatenspeicherung.
Ich bin ein Internet-Unternehmer aus Köln und in vielfacher Weise auch politisch aktiv, u.a. im Beirat des Wirtschaftsministeriums und dem der Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ich bin aber auch Gründungsmitglied von D64.
Ich möchte mich an Sie aber vor allem als Digital-Unternehmer wenden.
Das mag Sie vielleicht verwundern, denn auf den ersten Blick hat die Vorratsdatenspeicherung nichts mit der digitalen Wirtschaft zu tun.
Hat sie aber doch, und zwar vor allem aus zwei wichtigen Gründen.
Erstens: die Digitalisierung unserer Gesellschaft und der Wirtschaft schreitet zügig voran – in Zukunft werden Fabriken vernetzt sein aber auch unsere Häuser, unsere Kleidung und viele andere Dinge des Alltags. So wird es z.B. für Menschen im Alter leichter fallen, länger in Ihrer vertrauten Wohnung zu bleiben, weil digitale Hilfsmittel den Pflegedienst automatisch benachrichtigen, wenn es nötig ist. Digitales Arbeiten macht Teilhabe an Arbeit leichter, für Menschen auf dem Land, mit Kindern oder mit anderen Einschränkungen was die ständige Präsenz im Büro anbelangt.
Zahlreiche neue Geschäftsmodelle und Unternehmen werden in diesem Ökosystem entstehen, und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass schon in naher Zukunft die Mehrzahl der Arbeitsplätze von digitalen Technologien geprägt sein werden. Über Arbeit reden wird also in 10 Jahren vor allem “über digitale Arbeit reden” bedeuten.
Die Vorratsdatenspeicherung – auch in der Variante von Herrn Maas – würde das Vertrauen der Bürger und Unternehmer in die zentrale Infrastruktur dieses digitalen Wandels unterminieren – weil vorrangig Überwachungsziele damit umgesetzt würden. Das mag heute noch vielen unkritisch erscheinen – spätestens wenn die Toilette, der Badspiegel und die Bremsanlage des Autos permanent mit dem Netz verbunden sein werden, wird es uns alle betreffen. Wir brauchen ein Internet, das nicht als Instrument zur anlasslosen Massenüberwachung instrumentalisiert wird!
Zweitens: Die SPD macht in den letzten 2-3 Jahren eine immer bessere Figur, was digitale Fragen anbelangt. Das ist schön und findet zunehmend (wenn auch langsam) auch Zuspruch bei den Menschen, die sich mit digitalen Medien und Technologien beschäftigen. Und der digitale Wandel braucht die SPD – wenn Netzpolitik heute schon Gesellschaftspolitik ist, dann brauchen wir dafür die sozialdemokratische Sicht um ein Netz zu bauen, das nicht nur die Wirtschaft beflügelt, sondern auch auf Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe setzt! Bitte verspielen Sie dieses Vertrauen jetzt nicht. Ich kann Ihnen versichern, alle Augen sind am 20.6. auf den Konvent gerichtet – wenn die SPD jetzt ohne Not eine Vorratsdatenspeicherung zum Gesetz macht, wird sie ihre Stimme in der Digitalpolitik für lange Zeit verloren haben.
Herzliche Grüsse,
Stephan Noller