A difference that makes no difference

December 3rd, 2013 — 10:44pm

Auf einen zufällig von @antjeschrupp aufgeschnappten tweet hatte ich mich zur Antrittsvorlesung von Angela Davis auf die Angela Davis-Gastprofessur des Frankfurter Lehrstuhls für Gender und Diversity Studies angemeldet (kein Witz, sie ist die erste Gastprofessorin des nach ihr benannten Lehrstuhls).
Da sass ich nun in diesem Hörsaal und hatte eine Legende der schwarzen Protestbewegung, Marcuse-Schülerin und gefeierte Theoretikerin vor mir, die schon ohne ein Wort zu sagen mit standing Ovations begrüsst wurde.
Und dann sprach sie. Über den Begriff des Feminismus und warum bereits in der Definition unterschiedliche Ausgrenzungen vorgenommen werden – weshalb sie sich nie als Feministin bezeichnet hat. Über kritische Theorie und warum eine Forderung der Abschaffung von Gefängnissen weit über die Abschaffung von Gefängnissen hinausgehen muss – nämlich hin auf eine Revolution der Gesellschaft die in ihrer inneren Logik sonst Gefängnisse braucht, also eine Revolution der Erziehungseinrichtungen, der öffentlichen Orte, der Arbeitsorte usw. Sie erzählte davon wie Schule in den USA in den letzten Jahren häufig schon mehr Ähnlichkeit mit Gefängnissen hat als mit Orten des Lernens (nämlich Disziplin und Testen). Und davon wie die Gefängnisprinzipien der Gesellschaft sich reproduzieren in emotionalen Reaktionsmustern und in die „privaten“ Beziehungen hinein, so daß immer noch gilt das private sei politisch – und umgekehrt. Alles faszinierend, tief und authentisch, auch unterlegt durch ihre jahrzentelange Aktivisten-Zeit und die Tatsache, dass sie mehrfach im Gefängnis saß und eine zeitlang auf der FBI-Liste der 10 meistgesuchten Terroristen stand. Aber es fehlt mir ausreichend Kenntnis (abgesehen von meinen eingestaubten, aber total beglückt auflebenden Frankfurter-Schule Texten im Hinterkopf und natürlich meinen Schul- und sonstigen Erziehungsfights mit meinen Töchtern immer wieder…) um wirklich inhaltlich angemessen darzustellen wovon sie genau sprach – ich hatte aber wohl den Eindruck, dass es grossartig war weil revolutionär, das ganz andere denkend, selbstreflexiv, kritisch…
Das alleine war schon hart für mich – sass ich doch da als einer, der seine Lebensenergie den Weiterentwicklung von Werbetechnologie verschrieben hatte obwohl ich gefühlt auch bei Marcuse studiert hatte…
Doch dann sprach sie noch kurz davon warum sie eigentlich ablehnt zu „Diversity“ zu sprechen obwohl die Gastprofessur das im Titel führe. Diversity sei nämlich inzwischen ein „corporate“ Begriff. Da habe man eben erkannt, dass die Maschine besser liefe wenn man ein paar Frauen oder Schwarze oder andere bisherige Randgruppen gut sichtbar sozusagen vorne draufschraubte. Und sie verwahrte sich einem Feminismus zugeschrieben zu werden, der vor allem zum Ziel habe mehr Frauen in den Apparat zu bekommen, an wichtige oder sichtbare Positionen usw.
Und mir wurde klar, dass sie Recht hat. Dass das was wir (jetzt rede ich von meiner Firma, die mit der Werbetechnologie…) als gender equality betreiben, z.B. indem wir eine pay-gap Analyse in Auftrag geben oder eben gute Arbeitsbedingungen für Frauen zu schaffen versuchen nicht mehr ist als ein schaler Abklatsch von dem was mit dem revolutionären Begriff des Feminismus gemeint ist. Und vielleicht sogar schlimmer – dass es letztlich eine Domestizierung des Konzeptes ist – nicht nur weil wir die Firma nicht gleich auflösen und das Geld an Bedürftige verteilen (und unsere Kraft auf sinnvolle Dinge verwenden) sondern auch weil wir vielleicht noch nichtmal an die Tiefenstrukturen gehen die gender unequality schaffen und perpetuieren in der Arbeit. Also z.B. Sprechmuster, die Art wie wir arbeiten und vor allem die Art wie wir Autonomie definieren und vermutlich eben auch okkupieren, nämlich als perfekte Autonomie-Simulation mit dem Ziel der maximal feingesteuerten Selbstausbeutung (Home-Office…).
Es tut übrigens nicht weh das zu sagen und ich halte es auch nicht für übertrieben. Ist einfach wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass „diversity“ tatsächlich längst ein corporate Konstrukt ist und wir uns nicht weiß machen sollten damit Ziele zu erfüllen, für die Angela Davis 60 Jahre gekämpft hat.
Ich glaube wenn man sich das bewußt macht und das Bewußtsein wach hält kann es ok sein für diversity und gegen den gender pay-gap zu kämpfen, wohl wissend, dass man damit nicht viel erreicht weil die eigentliche Aufgabe eine andere ist. Und übrigens auch wissend, dass man unter Umständen eine Befreiungs-Simulation betreibt die alles nur noch schlimmer macht – „a difference that makes no difference“.

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UK: National Health-Service kündigt grossangelegte Open-Data Initiative an

November 15th, 2013 — 8:49am

Nach meinem letzten Artikel zu Daten im Gesundheitssystem war es schon etwas strange den Vortrag von Tim Kelsey, National Director of Patients and Information der NHS in London auf der Strata zu hören. Denn die NHS (übrigens die fünftgrösste Organisation der Welt) plant etwas ziemlich revolutionäres mit Ihren Daten, also Verschreibungs-Daten usw. aus den Krankenhäusern und von den Arztpraxen – diese sollen nämlich ab Sommer nächsten Jahres als Open-Data der Community zur Verfügung gestellt werden:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=s8HCbXsC4z8[/youtube]
Das ist schon mal an sich bemerkenswert, übrigens auch wenn man im Hinterkopf hat welche “Erfolge” im Hinblick auf De-Anonymisierung von vermeintlich sicher anonymisierten Datensätzen in der letzten Zeit hier und dort zu vermelden waren…
Bemerkenswert war aber vor allem auch die Begründung hinter der Initiative. Kelley sagte in dem Vortrag es würde sich im NHS – wie in den meisten Gesundheits-Diensten der entwickelten Staaten – in den nächsten Jahren eine gigantische Finanzierungslücke auftun die mit Einsparungen und Beitrags-Steigerungen einfach nicht geschlossen werden könne. Die Lücke entsteht vor allem durch zwei Faktoren, zum einen demographische Effekte und zum anderen die immer kostspieligere (aber auch immer leistungsfähigere) Medizin.
However – Kelley sagte die einzige Idee wie man das in den Griff bekommen könnte (ohne Leistungen einzuschränken o.ä.) wäre zwei Gruppen in die Problemlösung einzubeziehen die bisher nicht inkludiert sind: Patienten und die Community.
Patienten in der Gestalt, dass sie weitgehenden Zugriff auf ihren Health-Record bekommen sollen, inkl. der Möglichkeit darauf eigene Analysen zu machen, diese Daten mit anderen aus Eigen-Messungen zu kombinieren usw. Und die Community in dem Sinn, dass über die Open-Data Schnittstelle ein Ökosystem von Gesundheitsapplikationen entstehen soll das der NHS alleine nicht auf die Beine gestellt bekäme. Dazu soll es sogar einen Fond zur Finanzierung von Startups geben. Kelley sieht in der Etablierung einer solchen Open-Data Infrastruktur einen erheblichen ökonomischen Anreiz und Innovationshebel um im internationalen Wettbewerb besser dazustehen und gute Leute anzuziehen.
Das ist alles an sich schon bemerkenswert und für jeden die/der sich mit Daten auseinandersetzt eine faszinierende Ankündigung.
Vor allem aber ist es auch irgendwie beschämend, wenn man es sich aus deutscher Perspektive ansieht, bzw. wenn man sich mal vorstellt wie so eine Diskussion bei uns laufen würde. Vielleicht ist es wirklich nicht zu groß gesprochen wenn man sagt, dass derartige Initiativen für die IT-Infrastruktur eines Landes (in einem weiteren Sinne, also inkl. Open-Data etc.) darüber entscheiden könnten, wie man in 5 oder 10 Jahren im internationalen Vergleich als Volkswirtschaft insgesamt aussieht. Und in diesem Sinne viele Grüsse an die Koalitionsverhandlungen!

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Daten und Solidarität

November 10th, 2013 — 1:26pm

Vor einigen Jahren saß ich mit @horax in einem stickigen Münchner Büro bei unserem damaligen Arbeitgeber TNS Infratest. Man hatte uns dorthin entsandt, weil wir bekannt waren für ungewöhnliche Datenanalysen und man glaube ich nicht so genau wusste, was man mit uns machen sollte. Idee war aus Gesundheitsdaten Ableitungen für die CRM-Abteilungen diverser Pharmakonzerne zu machen. Was soll man lange drumherumreden. Man kippte uns ein paar Daten auf den Tisch und bat uns zu schauen was man machen könne, die Daten seien leider künstlich beschnitten – um gerade den entscheidenden Teil. Die Daten war eine Datenbank mit Verschreibungsdaten die auf sogenannte „Nanobricks“ gemappt waren – das entpuppte sich als eine Verklumpung mehrerer Arztpraxen, denn aus Datenschutzgründen durften keine solche Daten auf Praxis-Ebene existieren. Die wiederum gab es bruchstückhaft aus anderen Quelle für ein paar Praxen wo sich ein Arzt gegen ein paar Euro dazu überreden liess sie – halbwegs anonymisiert – herauszugeben. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, also ich zumindest. Wenige Wochen später hatte ich einen Termin bei einer großen Krankenkasse, wiederum ein Datendialog, ähnliches Ergebnis. Krankenkassen hatten keine Verschreibungsdaten ihrer Versicherten. Mich verwirrte das – wie konnte das sein, dass diese Daten nicht verfügbar waren (die Krankenkasse hatte übrigens durchaus eine Riesen-CRM Datenbank mit Algorithmen und pipapo, nur halt nicht die Verschreibungsdaten…)? Und da gabs noch kein Big-Data und keine Strata-Konferenz und kein Hadoop. Offensichtlich war hier ein starkes Anti-Daten-Regime im Gange, und das selbst in einem Multi-Milliarden-Business wo Pharmakonzerne ganze Heerscharen von Vertrieblern durchs Lande schickten um ihr Zeug an den Mann und die Frau zu bringen.
Natürlich hat das was mit Datenschutz-Aspekten und gesetztlichen Vorschriften zu tun – doch darauf will ich jetzt gar nicht eingehen.
Ich bin nämlich ein Fan der gesetztlichen Krankenversicherung. Und das obwohl ich seit Jahren über der Pflichtversicherungsgrenze liege und schon zigmal irgendeinem Finanz-Heini eine Absage erteilen musste, als er sagte „das erste was wir tun sollten ist sie privat versichern“. Übrigens – nebenbei gesagt: Weil er mir helfen wollte Geld zu sparen – beim Wechsel in die Private spart man gerne mal bis zu 200 EUR monatlich (selbst mit Kindern). Ist wichtig zu sagen weil privat Versicherte gerne den Mythos pflegen sie würden das Gesundheitssystem finanzieren… Warum ich Fan der Gesetzlichen bin ist relativ schnell erklärt, weil dafür ausser einem kaum ein Grund in Frage kommt: sie ist solidarisch. Mit meinem Mehrbeitrag finanziere ich die Gesundheitsleistung von ein paar Geringverdienern, Alleinerziehenden oder sogar Illegalen die mit geliehener Karte zum Arzt gehen. Die Leistung ist schlechter als in der Privaten aber es ist eine immer noch gute Leistung die dafür allen zugänglich gemacht werden kann. Neben dem direkten und leicht erkennbaren sozialen Wert solcher Einrichtungen halte ich derartige Konstrukte für Errungenschaften hoch entwickelter Gesellschaften (siehe USA, bzw. not). Dass man solidarische Systeme schafft in die auch Leute mit schwacher Leistung reinkommen ohne traktiert zu werden, ja Systeme die sogar Missbrauch aushalten und mitfinanzieren.
Aber zurück zu den Daten. Offenbar haben wir nicht nur ein paar gute solidarische Komponenten in unserer Gesellschaft sondern konnten diese auch gut absichern was die Sammlung und den Zugriff auf die Daten anbelangt (wer schon die neue ‚Gesundheitskarte jetzt neu mit Foto’ in der Tasche hat kann sich ja mal vorstellen was das für Illegale bedeutet).
Und ich glaube es gibt da einen wichtigen Zusammenhang, denn was @horax und ich damals (übrigens weitgehend erfolglos) probierten war den Praxisbezug in den anonymisierten Daten wenigstens grob rechnerisch/statistisch wiederherzustellen. Um dem Pharma-Vertriebler ein Werkzeug an die Hand zu geben, dass er sein neues Medikament nur den Praxen zur Verfügung stellt die hohen Absatz in Aussicht stellen können. Und aus heutiger Sicht ist das natürlich bedrohlich wie ein Strauß Gänseblümchen für den Muttertag. Gerade wurde auch in Deutschland der erste KFZ-Versicherungstarif mit GPS-Tracking eingeführt. Ein Gesundheitstarif massgeschneidert nach persönlichem Risiko (gemessen an Verschreibungs- und Gesundheitsdaten) ist sicherlich längst in der Mache – wer heute eine Lebensversicherung oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschliessen will kennt das längst (die BU wurde übrigens von einer solidarisch allen zugänglichen staatlichen Leistung vor einigen Jahren in eine privat zu beziehende umgewandelt – die leider nur noch bestimmten Menschen, deren Daten stimmen, zugänglich ist).
Worauf ich hinaus will – Daten und BigData kommen vor allem mit einem Versprechen – Dinge zurechenbar zu machen. Jeder Datenpunkt ist ein Faktor in der individuellen Risiko-Kalkulation und Verhalten wird direkt in Prämie umgerechnet. Diese Modelle – egal ob es um Kreditrisiko oder Buchempfehlungen geht versuchen immer individuell zu sein, individuell ist die Königsklasse. Übrigens auch das Faszinosum, also hochindividuelle Empfehlungen, egal ob bei Partnervermittlung oder Urlaubsreise oder Fitnessberatung ist unser Streben in den Startups und Digital-Businessplänen.
Und wir Big-Data und Digital-Apologeten natürlich vorne an, wir lieeeben ja Data. Wirklich.
Meine Frage ist aber was das für Auswirkungen für solidarische Systeme hat wie meine gesetzliche Krankenversicherung mit ihren multipel abgeschotteten Daten, die sich einer CRM-Verwertung so standhaft entziehen? Oder anders gefragt: Wieviel neoliberale Anteile kaufen wir stillschweigend bei Big-Data und seinen Anwendungen mit ein?
Noch ein anderes Beispiel: Alle sind ja begeistert von der neuen Sharing-Kultur, right? Habt ihr schon mal in so einem Airbnb Haus gelebt, also dauerhaft? Das ist wirklich schrecklich, weil das Haus eben plötzlich so persönlich und verbindlich ist wie ein Ibis-Hotel. Man kennt niemanden, fremde Menschen begegnen einem auf dem Gang und man macht sich gar nicht die Mühe so eine sanfte auf-dem-Gang Beziehung aufzubauen wo man nach 3 Monaten leise Hallo murmelt weil die Person eh in einer Woche nie mehr gesehen werden wird.
Sharing-Kultur heisst eben auch Zerstörung von sozialem Lebensraum, in diesem Fall der Hausgemeinschaft. Es heisst übrigens auch Kommerzialisierung einer Sache die bis dato privat war – nämlich seine Wohnung jemandem überlassen den man kennt und nett findet (oder sein Werkzeug, sein Auto usw.). Und vertrauenswürdig. Achso, dafür gibt es ja jetzt ein Bewertungs-System und eine Versicherung, stimmt.
Auch diese Debatte gibt es ja, New York versucht AirBnb einzugrenzen durch gesetztliche Vorgaben und in Berlin gibt es ähnliche Überlegungen. Alles viel gescholten von der Digital-Industrie als Innovationsfeindlichkeit und Verhaftetheit mit dem alten, voll Bouffier-haft eben.
Und ich denke so – haben wir die gesellschaftlichen Effekte von Big-Data und seinen Anwendungen ausreichend bedacht?
Gibt es Möglichkeiten Entsolidarisierungseffekte von BigData-Anwendungen zu verhindern oder gar ins Gegenteil zu verwandeln? Ich weiß, die Sharing-Kultur kommt ja häufig explizit mit diesem Versprechen sozial zu sein daher, so ganz glaube ich das halt nicht. Ist nicht in dem Opaken der Daten, also der Nichtverfügbarkeit, Undurchlässigkeit etwas konserviert was wir mit Datentransparenz notwendig auslöschen? Und – was ist in diesem Fall eigentlicht Transparenz – ist das nicht eher Einschränkung von Autonomie die sich im Opaken nur entfalten konnte unter dem Mäntelchen des Empowerment? Und überdies – warum führen wir eigentlich die gesellschaftlichen Debatten die zu den obigen Datenschutzbestimmungen und zahlreichen anderen Schutzprinzipien geführt haben in Bezug auf BigData nicht?

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Was war DDR

October 5th, 2013 — 11:09am

Jetzt wo der @moellus und der @maxheadroom so schön über #tdde gebloggt haben kommt man ja fast bisschen unter Druck. Eine West-Meinung muss her.
Wiedervereinigung, Mauerfall. Erfahren davon habe ich als ich grad Schicht hatte im Hospiz, draussen in Köln Chorweiler, in einem umfunktionierten Reihenhaus das immer arge Probleme machte weil sich die Särge nicht durch den engen Hausflur raustragen liessen (nur ohne Deckel). Stand also im Wohnzimmer mit der Kollegin die immer aufdringliche Beischlafangebote machte und wir sahen den Mauerfall im Fernsehen. Konnte es echt kaum glauben und war aber sehr bewegt. Stimmung beim Nachhausefahren bisschen wie bei einem anderen wichtigen Fernseh-Ereignis, also CL-Finale oder WM oder so. Heute ärgere ich mich total, dass ich nicht einfach nach Berlin gefahren bin.
Aber was bedeutete es für mich? Ich war ja ein kalter Krieg Kind, also aufgewachsen mit unfassbar grosser Angst vor dem Atomkrieg und mit der Vorstellung, dass sich das niee niee ändern wird, diese Block-Blockade entlang der deutschen Grenze mit all dem bizarren Beiwerk. Das man auch konkret kannte, weil z.B. fast jede Westklasse damals mindestens einmal Berlin besuchte inkl. Ost-Besichtigung auf eigene Faust. Wie ich mit meinem Freund Wolle UdL runterlief und wir versuchten unser Ostgeld in gute Bücher umzusetzen (und scheiterten). Aber wir hatten auch Verwandtschaft in Dankerode, kannte also als Kind nächtliche Szenen mit auseinandergenommenem Auto an der Grenze, herumtollen im Heu bei der Verwandtschaft und Fahrten mit dem Ernte-Motorrad mit Beiwagen. Und natürlich Westpakete. Wie wir uns gewundert haben warum Mutter die ekelhafte Aldi-Schokolade kaufte und ebensolchen Kaffee der sonst nie ins Haus gekommen wäre und uns weiter wunderten, dass diese Inhalte ‘drüben’ offenbar mit Begeisterung aufgenommen wurden.
Aber wie gesagt, alles wurde total überlagert von der Perestroijka-Begeisterung und der unbändigen Freude darüber, dass diese Mauer wirklich gefallen war, also weniger die in Berlin sondern mehr die zwischen Ostblock und Westblock, und dass es wahrscheinlich keinen grossen Krieg mehr geben würde. Das war wie ein überraschend weggenommenes Trauma.
Davon abgesehen war ich übrigens Lafontaine-Anhänger was die Beurteilung der Lage anging. Und zwar in dem Sinn, dass ein Anschluss hätte vermieden werden sollen und an der Stelle ein Zusammengehen auf Augenhöhe wünschenswert gewesen wäre. Mit neuer Verfassung. Mit dem besten aus beiden Welten. Das wäre doch was gewesen.
Aber wie auch immer, ich find es nach wie vor grossartig und einen politischen und geschichtlichen Traum den nicht viele erleben durften. Auch wenn es die bräsige West-Realität war, die am Ende über alles gezogen wurde, klar. Und auch wenn es Ängste vor neuem Grossdeutschland hochbrachte die die Kanzlerin aber abzuwehren weiß.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=q8PNgxbTE0o[/youtube]

Und am Ende fuhr ich mit meinem Gärtner-Chef im schrottreifen VW-Passat rüber um ein Schaf abzuholen. Wenige Wochen nach Mauer-Öffnung. Mit Panne wegen Kühler. Mit Wasser-Suche in den ganzen Wracks entlang der Autobahn bis ich feststellte, dass die Ost-Autos alle luftgekühlt waren. Mit Abschlepphilfe von verunsicherten Vopos. Und mit der Schar westlicher Geier, die als erste in das Land fielen und Autos verkauften und Versicherungspolicen.

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Ganz einfache These warum NSA für viele kein Skandal ist

September 29th, 2013 — 10:23am

Ich gehöre ja auch zu denen, die es fassungslos macht wie wenig Prism/Tempora & Co als Skandal wahrgenommen werden, in der öffentlichen Debatte, im Wahlkampf, aber auch in ganz normalen Diskussionen unter Freunden. Relativ schnell kann man dabei zu sehr grundlegenden Zweifeln über die Qualität unserer Demokratie oder die dumpfe Trägheit der Massen kommen etc. Und ständig murmelt man vor sich hin “es kann doch nicht sein, dass Eure gesamte Kommunikation, jeder Aspekt Eures Lebens überwacht werden und es euch scheissegal ist!!” und “warum habt ihr Euch über die Stasi so aufgeregt und jetzt nicht?” usw.

Irgendwann wurde mir klar, dass es vielleicht an einem ganz banalen Fakt liegt den “wir” gerne ausblenden oder überhaupt nur schwer wahrnehmen: Das Internet ist für die allermeisten Menschen in Deutschland eben nicht ihr Leben, es ist noch nichtmal ein wichtiger Bestandteil davon, sondern sie nutzen es bestenfalls um Bestellbestätigungen von amazon zu lesen und ab und zu irgendwelchen Plunder auf ebay zu versteigern. Das zeigen übrigens auch Internet-Nutzungs-Studien wie z.B. der Nonliner-Atlas von der Initiative D21 der zwar 76% der Deutschen als Online ausweist, wo in der Detailanalyse aber klar wird, dass man online ist wenn man mindestens einmal pro Woche seine emails checkt. Twitter hat 2.5 Mio Nutzer, wovon etwa 20% aktiv sind, also auch regelmässig tweets schreiben. Macht eine halbe Million. Klar, Facebook ca. 25 Millionen User in Deutschland, aber das ist vielleicht nochmal ein anderes Phänomen.
Jedenfalls leiden wir (also “Netzgemeinde”) definitiv unter einem Tunnelblick wenn wir von unserer Wahrnehmung des Internets auf die Restbevölkerung schliessen. Für die ist es ungefähr so dramatisch wie “Einkauf Aktuell wurde von Schadcode infiziert”.
Gegenprobe: Stellen wir uns vor die NSA hätte es hinbekommen in allen deutschen Haushalten, Bürogebäuden und in den Autos Mikrofone zu installieren und würde alles effizient mitschneiden. Ich glaube – nein ich hoffe natürlich dass wir dann wirklich einen Skandal hätten der in der breiten Bevölkerung auch als solcher wahrgenommen würde. Konnte man ja auch schön sehen, dass die NSA-Praktiken dann auf die politische Agenda kamen als ein paar Mikrofone in Büros in Brüssel gefunden wurden…
Das Interessante an der Gegenprobe ist übrigens auch mal sich die Konsequenzen auszumalen. Also wenn ich morgen einen Termin bei einem Kunden mache und dort unter dem Konferenztisch eine Wanze anbringe, oder bei einem Besuch im Bundestag, oder eben am Auto von irgendwem. Das würde nicht nur mehr aufregen sondern ich hätte nach Aufdeckung sicherlich schnell Polizei und Staatsanwaltschaft am Hals. Keiner würde sagen “och, da können wir doch nichts tun, die Wanze wurde ja nicht in Deutschland hergestellt”. Oder “da müssen wir erstmal unsere Bündnispartner konsultieren”. Das wäre ein Hardcore-Verstoss gegen diverse Gesetze und würde auch so geahndet.
Wenn das halbwegs stimmt so und die Digitalisierung weiter voranschreitet ist die NSA-Sache und die ausbleibende Empörung anders zu bewerten, nämlich als _noch_ ausbleibende Empörung. Sobald die Anzahl der Leute, die sagen würden das Internet sei integraler Bestandteil ihres Lebens eine signifikante Grösse erreicht, also z.B. in 5 Jahren würde die Lage vermutlich anders interpretiert. Nur dass es dann vielleicht einfach zu spät ist.

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Warum ich am 22.9. SPD wählen werde

September 6th, 2013 — 8:25am

Muss ja auch noch erläutern, warum ich am 22.9. SPD wählen werde. Eigentlich hatte ich folgendes vor: Leicht lässig mit Statement, dass ich am 22.9. SPD wählen werde und das ja noch darlegen muss starten. Dann Angst schildern, dass ich meine Stimme mal wieder einer Partei gebe, die danach mehr Unheil anstiftet als Gutes macht, also z.B. im Bereich der Netzpolitik. Dann schildern warum alles nicht so einfach ist und es immer noch die bessere Wahl ist. Auch und vor allem wegen der Grundwerte, für die diese Partei seit so langer Zeit steht – übrigens nicht nur, weil ihr nix besseres einfällt, sondern weil die meisten Mitglieder das wirklich irgendwie im Herzen tragen, selbst die mit Privatversicherung. Dann noch was einfügen über das Ringen, das ich so authentisch und gut, zugleich aber schwer und nicht leicht zu verkaufen finde (fragt mal @jensbest). Also das Ringen mit Sozialreformen und den Fehlern bei Hartz-IV. Mit der Rente. Mit Kriegseinsätzen. Mit fucking Sicherheitsgesetzen und dem generellen Schily-Desaster. Mit sich. Aber eben ein Ringen, das mir irgendwie am Ende Respekt abnötigt, wo ich das Gefühl habe, das hat etwas mit aufrichtigem Bemühen um die Wirklichkeit und deren Gestaltung zum Besseren zu tun. Und weil es ein Ringen um die ganze Gesellschaft ist, also auch um die ohne iPhone. Natürlich zwischendrin unbedingt Bemerkungen über @pausanias einfügen als ultimativen Beweis, dass die Diskussion eh nicht zielführend ist weil das einfach gewählt werden muss. Vielleicht noch mehr aufzählen für bis dato immer noch Unentschlossene, @baranek z.B. (dem ich sofort die Alleinherrschaft anvertrauen würde), natürlich Richel, Lumma, Tessa, Valentina, @miinaa, @horax, @ReichelS und von der Schickeria Böhning, Klingbeil ach, die Liste könnte noch so viel länger werden.

Aber dann kam es ja ganz anders. Und zwar so:

Dieses Foto ist bei der konstituierenden Sitzung des Landesrates für Digitale Entwicklung und Kultur entstanden, den die Ministerpräsidentin Malu Dreyer einberufen hat und der von Valentina Kerst geleitet wird (und der übrigens zu mehr als 50% aus Frauen besteht, zumindest bei der Sitzung). Zwar keine SPD-Veranstaltung, aber irgendwie dann doch. Auf jeden Fall eine total nette, kompetente Gruppe von Leuten die mit dem Netz Partizipation und Mitbestimmung, neue Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung, sozialere Arbeitsbedingungen und weitere positive Sachen verbinden. Und die etwa 50% der Zeit aus tiefer Sorge und Empörung getragen #prism und die Konsequenzen diskutiert haben. Einberufen von einer Ministerpräsidentin, der die Herzen zufliegen weil sie es ernst meint mit der Politik, zuhören kann und allen Promi-Popanz weglässt für die Sache.

Warum das alles geändert hat? Ich habe mir das Bild angesehen und dachte: Ich will einfach, dass dieses Land von solchen Menschen regiert wird.

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Was Gabriel nicht gesagt hat

July 2nd, 2013 — 8:33pm

Heute hat Sigmar Gabriel in einem Artikel in der FAZ auf die Snowden/Prism/Tempora Affäre reagiert. Da war ich erstmal guter Dinge, weil endlich mal ein hochrangiger Politiker zu dem Thema Stellung zu beziehen und das Ausmaß des Problems ernst zu nehmen schien.
Aber zwei Dinge haben meiner Ansicht nach daraus einen veritablen Rohrkrepierer werden lassen. Zum einen der unsägliche Vergleich von Prism mit Online-Werbung und deren Datensammlerei. Ich will die Industrie gar nicht verteidigen, aber der Vergleich ist einfach unerträglich falsch und vor allem verharmlosend. Geht es hier um Standards für Datenschutz und Trackingeinstellungen für die Aussteuerung von Banner-Werbung, müssen wir bei Prism und Co von massiven staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre der User ausgehen, die in keinster Weise legitimiert sind und in intimste Sphären der Kommunikation vordringen. Auch wenn es Wahlkampf ist, diese Unterscheidung muss man erwarten wenn sich jemand ernsthaft mit dem Prism-Problem auseinandersetzen will.
Aber es gibt noch einen wichtigeren Punkt den man hätte machen müssen, wenn es ein ernsthafter Beitrag, eine wirkliche Kritik am Handeln der Geheimdienste hätte sein sollen. Und natürlich wenn man es als Bekenntnis eines Parteivorsitzenden ernstnehmen sollte mit solchen Dingen Schluss zu machen, sobald man an die Regierung kommt.
Ich hätte mir gewünscht, Gabriel hätte sich mit den Wurzeln des Problems in der eigenen Partei auseinandergesetzt, die vor allem aus der Schily-Zeit stammen. Ein “wir selbst haben daran mitgewirkt und müssen heute erkennen, dass wir mit den damaligen Initiativen zu weit gegangen sind” hätte dem Artikel gut zu Gesicht gestanden Herr Gabriel. So kann man sich des Eindrucks der Wahlpropaganda nicht ganz erwehren – selbst für den Fall, dass die Empörung eine ernstgemeinte ist.

Ach und noch eine Anmerkung, weil ja gerne auf die aktuell diskutierte Datenschutzverordnung der EU verwiesen wird in dem Fall – das Handeln staatlicher Sicherheitsbehörden ist explizit von dieser Verordnung ausgenommen worden und soll in einer speziellen Direktive geregelt werden (die den Staaten viel mehr Handlungsspielraum für eigene Anpassungen lässt). Wer also den Eindruck erweckt mit einer harten Verordnung würden man den Geheimdiensten das Leben schwer machen erzählt schlicht die Unwahrheit.

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Iron Rilke

July 2nd, 2013 — 4:05am

Diese Ironblogger-Sache macht mich wahnsinnig – meine Frau wollte mich schon abmelden weil sie unseren finanziellen Ruin fürchtete. Auf der anderen Seite habe ich mich vor allem wegen des Stammtisches angemeldet, insoweit ja alles on track…
Jetzt sitze ich hier, schlaflos weil mal wieder beide Kinder schlechte Träume hatten und der Tag bricht an. Mir ist nach Rilke zumute ein wenig, aber dafür reicht es auch nicht gerade. Aber diese Stille am morgen, der schon helle Tag doch noch ohne Leute. Als würden alle grad verschlafen, also bis auf die paar Nerv-Vögel dort in den Bäumen. Noch ein Grund warum es nicht für Rilke reicht ist Prism. Wie mich das wahnsinnig macht. Weniger das Abhörprogramm an sich, vor allem aber die Reaktionen der meisten Politiker. Ich kann es einfach nicht glauben, dass die meisten den fundamentalen Verstoss gegen Grundprinzipien einer freiheitlichen Demokratie und Zivilgesellschaft nicht sehen, das macht mich echt sprachlos.
Überwachung ist schlimm und perfide, denn sie tötet den Geist schon allein durch ihre schiere Existenz. Man muss nicht “das Leben der anderen” gesehen oder Verwandte in der DDR gehabt haben um das zu Wissen, aber vermutlich hilft es. Und man muss nicht Brazil gesehen haben, um zu wissen wie sehr sie sich gegen uns wenden kann (man muss wohl eher sagen “wird”), zu jeder Zeit, in jeder nur erdenklichen verdrehten Weise. Denn Snowden hat das selbst so klar formuliert
wie man es selten hört (ab 7:12):

Es gibt wenige Dinge, die für mich so sehr zum Kern von dem vordringen, was ich unter Politik verstehe, wie dies. Dass wir einen Rahmen schaffen, der Meinungsfreiheit ermöglicht und absichert. Und dass wir uns verdammt nochmal empören bis aufs Blut wenn das mit Füssen getreten wird.

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Ihr fragt ob #Aufschrei was bewirkt hätte, really?

March 28th, 2013 — 11:49am

Heute das Interview mit Anne Wizorek aka @marthadear auf EinsLive zu Aufschrei gehört. Dabei stellte der Moderator die Frage, was denn die #Aufschrei-Debatte bisher gebracht hätte.
Da musste ich kurz Luft holen, denn mein Eindruck ist, dass unheimlich viel passiert ist seitdem.
Um das zu verstehen, muss man vermutlich erstmal über Schweigen reden. Und der Moderator meinte ja auch ob Anne den Eindruck gehabt hätte, da hätte sich etwas angestaut, was jetzt durch die Brüderle-Sache nur endlich hochkam. Ja, ich glaube genau das. Aber ich glaube auch, dass die meisten total unterschätzen, was da genau gelauert hat, seit wievielen Jahren und mit welcher zerstörerischen Kraft. Denn Schweigen – also das Gegenteil von #Aufschrei ist mit großem Abstand das dominierende gesellschaftliche Muster für jegliche Art von sexuellen Übergriffen. Und zwar so sehr, dass es mit dem Opfern selbst anfängt, unmittelbar wenn es passiert häufig. Es wird weitergeschwiegen von den Müttern und Vätern, Freunden, Leuten die dabei waren, Medien, Pfarrern, Sozialarbeitern. Und natürlich können die Täter so unglaublich komfortabel auf den allgemein gültigen, absolut undurchlässigen Mantel des Schweigens setzen. Der übrigens unterschiedlich daherkommt, also z.B. gerne auch in der Form der Verniedlichung, wenn nichts sagen halt grad keine Option ist (wie man schön am Bundespräsidenten sehen konnte).
Das Opfer-Schweigen ist hart, langanhaltend und zerstörerisch. In meinem Fall hat es z.B. etwa 30 Jahre gedauert, bis ich erstmals gegenüber meiner Frau und dann meinem Therapeuten von einem Übergriff eines Freundes meiner Mutter erzählen konnte, der mir, dem 10-jährigen fröhlichen Jungen auf einem dunklen Weg, wo ich ihm komplett ausgeliefert war zwischen die Beine griff. Es hat nochmal zwei Jahre gedauert, bis ich meine Mutter erstmals darauf ansprechen konnte. In Summe also etwa 32 Jahre vom Übergriff bis zur Ansprache bei einer Schutzperson. Und ich schäme mich jetzt fast noch darüber zu reden*, während ich dies hier schreibe. Weil ich ja nicht vergewaltigt wurde. Weil es doch gar nicht so schlimm war. Weil ich mich nicht so haben sollte. Aber dieses Arschloch hat mir verdammt nochmal Horror-Angst gemacht damals, er hat alle Grenzen überschritten, mein Vertrauen missbraucht und ausserdem trickreich qua Schweigen die Schuld auch noch in mich reingekippt. Schuld dafür, dass ich nichts gesagt habe, sondern seine Hand nur wegschob. Schuld vor allem weil ich Angst davor habe, was er in den 30 Jahren seit damals alles getan hat, und dass ich es hätte verhindern können. Und zur Schuld natürlich diverse Angstvisionen, Therapiesitzungen in denen ich mühsam Schritt für Schritt diesen Weg mit meinem Therapeuten wieder abschreite, Tränen während ich dies schreibe usw.
Und ich kenne zig Beispiele aus meinem engeren Bekanntenkreis von Menschen, meistens Frauen natürlich die in irgendeiner Weise ähnliche Erfahrungen hatten (häufig unendlich viel schlimmere), ähnlich lange geschwiegen haben, ähnlich verwüstete Flecken in sich drin ein Leben lang mit sich rumtragen dürfen. Und ich habe drei Töchter, was derzeit einer Wahrscheinlichkeit von 100% eines sexuellen Übergriffs auf eine davon entspricht. Ich kann mich jetzt schon darauf einstellen da als Vater gescheitert zu sein und mir nur wünschen, dass ich nicht erst nach 32 Jahren zur Hilfe geholt werde.
Ich weiss nicht genau, was der Anteil des Schweigens daran ist, also an den Folgeschäden. Ich befürchte er ist gross, man ist im Schweigen allein, es wuchert vor sich hin und man fühlt sich schuldig (auch sich selbst gegenüber). Ich weiss relativ genau, was Schweigen für Täter bedeutet, nämlich Komfort, freies Spiel und ausbleibende Strafverfolgung.
So. Die #Aufschrei Debatte hat das Schweigen gebrochen, wenigstens mal kurz und für ein paar Wochen. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass das halten würde. Aber ich sehe, was sich bei mir verändert hat, in meiner Firma (haben schon Vertrag mit einem Dienstleister gekündigt, der übergriffig war, auch das war bis dato verschwiegen worden), in der Öffentlichkeit, in der SPD mit ihren zahlreichen aufrichtigen Veranstaltungen in den letzten Wochen und an unzähligen anderen Stellen die ich jetzt nicht aufzählen kann. Ich finde die Initiatorinnen haben einen Publikumspreis für Mut und Aufklärung verdient, z.B. auf der re:publica.
Aber was wir nicht tun sollten ist irgendeinen Zweifel aufkommen lassen an der Richtigkeit und der starken Wirkung des Aufschreis. Das ist nur ein Schweigemechanismus zweiter Ordnung, der da angeschlichen kommt. Ich jedenfalls möchte dem unvermittelt in die Fresse hauen.

*und ich weiss genau, wie ich mich gleich wieder schlecht fühlen werde nachdem ich auf ‘publish’ gedrück habe, fuck it.

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Ein paar Gedanken zu Lobbyplag

February 20th, 2013 — 10:54am

Mit ziemlicher Aufregung wurde vor einigen Tagen die Plattform Lobbyplag an die Öffentlichkeit gebracht und legte gleich mal offen, dass in der aktuellen Diskussion um die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU teilweise von Lobbyisten-Papieren abgeschrieben wurde. Nach ein paar Tagen kam ein Update und es wurde auch dargelegt, dass ebenso von Verbraucherschutz-Organisationen abgeschrieben wurde.
Jetzt ist natürlich leicht, abgebrüht zu sagen, oh, surprise! Und tatsächlich steckt in der Aufregung ein bisschen Naivität drin. Aber nur ein bisschen – denn wie der Lobbyismus Gesetzgebung beeinflusst sollte permanent kritische Aufmerksamkeit bekommen. Sagt der Lobbyist. Continue reading »

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