Brüderle, so nah

February 6th, 2013 — 11:24pm

Als ich in den letzten Tagen wie viele aufmerksam die #aufschrei Debatte verfolgte, gab es diesen besonderen Moment, als ich kurz mal in mich reinhörte um etwas zu überprüfen. Der Auslöser war der Kommentar eines Journalisten, der meinte, der eigentliche Skandal bestünde darin, dass keiner der Journalisten-Kollegen an dieser Bar etwas gesagt hätte… Also, eine eigentlich unnötige Überprüfung, aber sie fand doch statt. Ausgehend vom Befund, dass dieses altväterliche Brüderle-Gehabe und überhaupt der Politik- und zugehörige Journalisten-Betrieb einem ja ganz und gar fern und fremd sei. Gestützt durch die Tatsache, dass ich ja in einer viel jüngeren und gänzlich offenen Branche arbeite, die so unmittelbar mit dem guten Internet verwoben ist. Daran denkend, was für zahlreiche innovative Dinge wir in der Firma auch noch tun und ausprobieren, Barcamps, offene Feedback-Formate, Familienfreundlichkeit, Eindampfen und Infragestellen von Hierarchien jeglicher Art usw.
Also eingewoben in all diese schützenden Gedanken stellte ich mir kurz die Frage, ob ich selbst schon mal Zeuge gewesen war von so einer Brüderle-Situation, also einem unangemessenen Übergriff auf eine Frau, egal welcher Art. Nur so theoretisch. Und fast hätte ich mich innerlich weggedreht mit nee, nee da ratterten die Szenen vor meinem Auge durch. Zahllose Fälle wo Kolleginnen unangemessen angemacht, angefasst, angestarrt und bedrängt wurden. Wirklich ohne Ende, im In- und Ausland, von Kollegen und Kunden, alle Variationen. Angefangen vom Hausmeister, der aus der Tür kommt und die Kollegin anfassen muss um an Ihr vorbeizukommen über eine andere Kollegin, die von einer Gruppe Kunden bedrängt wurde, bis hin zu völlig unangemessenen, herabwürdigenden und offen sexistischen Kommentaren eines Kollegen nebenbei in einer Team-Situation. Und sogar inkl. einer Kundenveranstaltung, auf der selbst meine Frau vom Geschäftsführer eines Kunden so angemacht wurde, dass sie sich in eine andere Ecke des Raumes geflüchtet hatte. Und endlos war die Liste selbst dann, wenn ich alle Fälle ausklammerte, wo Kolleginnen ein Verhältnis angedichtet wurde, sie übergangen wurden oder andere eher machtgetriebene Respektlosigkeiten am Start waren.
Und ich immer dabei, schweigend, nichts tuend. Unangenehm berührt, angeekelt, ja. Aber – und das obwohl ich das meiste in einer komfortablen Rolle als Chef erlebt habe – in keiner einzigen Situation einschreitend oder auch nur klar Stellung beziehend. Manchmal einen flapsigen, um Verbrüderung bemühten Kommentar, meist jedoch: Schweigen. Drüber hinwegsehen. Kein Aufhebens drum machen. Ich schäme mich wirklich dafür. Und ich bin überwältigt davon, welches leicht sichtbare Ausmaß es hat und wie bleiern das Schweigen, Ignorieren und Wegschauen drüber liegt. Das muss Aufhören. Und natürlich muss ich mir die Frage stellen, warum eigentlich? Es sind durchaus substantielle Werte, für die ich zu stehen meinte, die ich damit verletzt habe. Klar gibt es diesen Scham-Mechanismus, der übrigens bei allen sexistischen Übergriffen sofort greift und den die Täter sich immer und immer wieder zunutze machen. Ein bisschen frage ich mich allerdings auch, ob es ok ist sich – als Mann – auf diesen Mechanismus rauszureden. Und ob nicht doch sogar eine geheime Verklebung mit dem ganzen – kaschiert durch die Scham-Nummer – irgendwo mitwirkt. Wie ekelhaft. Ratlos.

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Letter to my greek friends

June 16th, 2012 — 9:29am

The first time i came to your country was when i was sixteen. Came with the train to Athens and then obviously with a ship to the Kyklades. What an amazing country, how friendly you were. But i also loved your way of living, for instance when we had to embark one of those big ferries your strategy was just to open the doors and wait until everybody (including big trucks, animals, kids) managed to either enter or move out of the ship. I returned several times with my wife, kids and a lot of friends. And we will come this summer once more.
But let’s not talk memories and how beautiful your country is – you are in big trouble. And i know that many of you are not only suffering and fearing their sheer existence and how to buy food for your kids (not to mention their education and their fear to never get a job), but you also feel guilty for what has happened to your country, and perhaps even more guilty what people are telling you will happen to the european union if you finally fail.
Because everything seems so obvious. Your government is spending more money than what they earn. There is a lot of debt. You cheated when entering the EU-System and now everyone feels like you created all this mess on your own.
But hold on.
Besides feeling terribly sorry when i see how your people are suffering, how people are living on the streets and fighting for their living just because there is no money for food and clothes for their babies – besides this.
And also besides the fact that you indeed are dealing with many things (like taxes for example) in a non optimal way – but which country in the EU could claim to not have problems like this? Italy? Germany? Which country did not rely on increasing their debt over the last 10 years? Not a single one.
So first of all i have the deep feeling, that you are suffering from something that was created by all of us and that we should all suffer from (or go to the root and change the whole thing). And given the fact that almost all EU countries are suffering from the same economical problems it’s so absolutely disproportionate what we are seeing on the news every evening. So please stop feeling guilty – even the cheating at the beginning should not be an exception simply because everyone knew, right? And if there is anyone that should feel guilty it’s the managers of Goldman Sachs, Deutsche Bank and their friends plus the ones on the political side who failed to implement efficient controls for the financial system.

And now to the central point. I am not an economist, but in times when even professors in economy seem to fail explaining what is going on that does not have to be a bad thing. So why did everyone know that you were cheating with the EU entrance criteria and no one stopped you? Why did we create a worldwide financial system that not only allowed the huge amounts of debt but also created unbelievable amount of profit for a few on top of it? And finally – why is my country, Germany doing so well where everyone is suffering?
Oh yes, we are more efficient, working harder, retiring at 67 and not 59. Sorry to forget.
Please my greek friends – do not believe this shit.
The European Union is one of the most fascinating political projects of our times and i always feel a little bit proud and amazed when i see those huge buildings in Brussels. And i truly believe that we should invest everything to create a true european union – built for people, humanity and democracy. But let’s get real. The European Union, especially the EURO was mainly built in favor oft he strongest members of that Union (and their big companies and banks) to create a unified market and a strong currency so that we can sell our goods to your country and easily move around money and let the financial system flourish.
Now this system crashed, and we should all have in our minds why it crashed and what actually crashed. Because it was not your country in the beginning but the Banking system, right? The system is actually shouting at you “don’t mess with the banks!”. And i think “we should start messing around with them”.
My dear Greek friends, please stop feeling guilty. And take our money, it’s actually yours. You are not only a beautiful country but almost everything that constitutes our democracy started on your ground. We have to fix the mess we created which is a system built to make money for a few and let the rest suffer or work for nothing. You can be a starting point to fix this, but unfortunately it’s not the time for dreams.

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D64 und die Sache mit dem Lobbyismus

December 11th, 2011 — 2:04pm

Ich bin ja auch bei D64. Und ich kann natürlich von Glück reden, dass ich im Schatten der anderen Gründungsmitglieder stehe, die bei Facebook und Google arbeiten.
Wir haben uns die Lobbyismus-Vorwürfe, die in den letzten Tagen durchs Netz und so manchen Kommentar geisterten, sehr zu Herzen genommen. Nicht, dass sie überrascht hätten, nein. Der Grund ist eher, dass wir die Sache mit D64 ernst meinen mit den dort formulierten Anliegen, also Internet-Politik(-Befruchtung) zu betreiben, weil wir glauben, dass es wichtig ist, und das Internet diese Aufmerksamkeit als evolutionäre gesellschaftliche Kraft verdient.
Und da tun solche Vorwürfe natürlich ein bisschen weh, weil sie Unaufrichtigkeit und doppelten Boden unterstellen.
Natürlich muss man sich nicht wundern bei der Zusammenstellung der Gründungsmitglieder, ja. Allerdings gilt das auch nur, wenn man nur extrem oberflächlich hinschaut. Ja, da sind Sprecher von Google und Facebook dabei. Aber auch viele andere Menschen die irgendwie anders im Netz bekannt sind, oder? Also @happyschnitzel und @frauenfuss zum Beispiel. Oder @piaziefle. Oder @oetting. Oder @horax. Oder @fraeulein_tessa. Die Liste liesse sich noch erheblich verlängern.
Glaubt Ihr wirklich, diese Gruppe hätte sich blauäugig vor einen Lobby-Karren spannen lassen?
Und die Sache mit der SPD – ja, der Verein ist SPD-nah aufgestellt. Wurde nie ein Geheimnis draus gemacht, wird sogar als Feature gesehen. Aber es ist kein SPD-Verein. Auch das liesse sich wieder mit einer Liste von Gründungsmitgliedern und einer ähnlichen Frage wie oben kontern. Oder einfach, indem man die erste grosse Position von D64 liest, nämlich die gegen VDS. Irgendwie leider grad keine SPD-Position, oder?
Wäre es nicht angemessen, ein bisschen differenzierter zu sein bei alldem?
Ich weiss, klingt total naiv, Internet, Shitstorm und Trolldings und so. Und überhaupt, was denken wir eigentlich. Ja ja. Ich wollt’s ja nur anmerken.
Natürlich werden wir vor allem in der Sache punkten und letztlich durch gute Positionen beweisen müssen, dass wir es ernst meinen mit unserem Programm. Und dass wir nicht ein U-Boot diverser Firmen sind. Aber eben auch nicht deren Gegner aus Prinzip.

Aber jetzt trotzdem nochmal zu dem Kern-Vorwurf in eigener Sache – weil es mir wichtig ist, und vielleicht an einem Beispiel mal deutlich macht, wie einfach es vielleicht ist (oder auch nicht).

Ich bin Gründungsmitglied von D64 und ausserdem CEO von nugg.ad, einem Unternehmen, das sein Geld zu 100% mit Targeting verdient, also Tracking, Cookies, Werbung und so. Da sagt man sich, aha aha, noch so einer, right?
Und tatsächlich – ich bin ein leidenschaftlicher Internet-Apologet und liebe Algorithmen und auch Tracking. Aber auch die Herausforderungen für den Dantenschutz und die Chancen des souveränen Users die darin liegen.
Mein Unternehmen funktioniert besser, wenn mehr Leute das Internet nutzen und wir kämpfen an verschiedenen Stellen für eine Umsetzung von Datenschutz-Richtlinien (insbs. in Bezug auf Cookies) mit Augenmass.

ABER: Bei D64 bin ich wirklich privat. Lässt sich ganz einfach dadurch beweisen, dass mein Aufsichtsrat mir diese Nebentätigkeit nicht genehmigt hat und ich diese auch dort nicht vorgelegt habe. Und dass es keine “Berichtslinie” irgendwo in mein Unternehmen gibt, nicht mal in Ansätzen. Ich bin übrigens noch in einem anderen Verband tätig, nämlich als Chairman des Policy-Committee im IAB-Europe, dem europäischen Dachverband der Digitalbranche. Diese Tätigkeit wurde genehmigt, die Zeit, die ich dort verbringe ist Arbeitszeit, und es gibt eine Berichtslinie in mein Unternehmen. Das ist ein relativ klarer Unterschied, oder?
Ich bin mir übrigens auch jetzt schon sicher, dass D64 Positionen vertreten wird, die ich für mein Unternehmen so nicht vertreten würde und schon gar nicht für die europäische Industrie.
Natürlich werde ich – wie es @heiko in einem Blogpost bei D64 kürzlich so schön dargestellt hat – für meine Positionen kämpfen. Und da ich D64 und nugg.ad mit der gleichen Leidenschaft und gleichen Grund-Überzeugungen betreibe, wird es da inhaltliche Überschneidungen geben, alles andere wäre irgendwie schizophren.

Ich persönlich zähle mich übrigens ursprünglich zu den grössten Hassern des Lobbyismus – weil er natürlich demokratische Strukturen zu unterlaufen droht. Ich habe aber auch gelernt, dass es alles nicht so einfach ist. Dass Politik Lobbyismus braucht und danach fragt. Und meist gut damit umgehen kann. Und dass man in diesem Feld viel erklären und es eben auch positiv nutzen kann. Natürlich wäre mir lieber, wenn wir einen politischen Apparat und eine Administration hätten, die – voll demokratisch legitimiert – alle Fragen des Internets fachkundig und mit Weitsicht regeln könnten. Und zwar in Brüssel und in Berlin (ein typischer EU-Abgeordneter hat ca. 2 fachl. Mitarbeiter). Ist aber nicht so, und zumindest für meine Branche kann ich sagen, dass es auch nie so sein wird. Weil die Materie zu komplex ist und die Unternehmen sowie die Technologie sich viel zu schnell entwickeln. Deshalb brauchen wir auch verantwortliche Unternehmer und gute, um Transparenz und Argumente bemühte Lobbyisten.

Aber wie gesagt – bei D64 bin ich nicht als solcher. Aber ich sehe derzeit eine Stärke dieses Vereins gerade darin, dass er nicht wie eine NGO daherkommt sondern den Mut hat involvierte Unternehmer und Leute die in vielen Kontexten aktiv sind anzuziehen. Das kann eine echte Stärke gegenüber Piraten, digiges und anderen eher wirtschaftsfernen Verbänden und Initiativen sein. Dennoch werden wir uns natürlich daran messen lassen müssen, wie klar wir diese Postionierung mit Transparenz, guten Positionen und Unabhängigkeit umgesetzt bekommen.

Achso und Ihr, D64-Interessierte da draussen – denn vieles der Kritik ist ja auch irgendwie Auseinandersetzung und Interesse, right? Der Verein ist wirklich offen, ich weiss nicht ob Euch das aufgefallen ist. Satzung war von Anfang an online, ebenso Mitgliedsformular (das nicht funktioniert hat, ja, ich weiss. Deshalb durften wir die ersten 100 per mail eingegangenen Mitgliedsanträge auch per Hand abtippen…) Wir haben schon jetzt über 100 Beitrittserklärungen (gut, 80 davon entsendet Facebook…) und es wird ein Beirat zu besetzen sein und es gibt eine Quotenregelung usw. – man kann sich da wirklich substantiell einbringen, sogar ohne in Berlin zu wohnen (Internet und so). Also. Denkt mal nach.

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Let me tell you about hard work – warum SPD nochmal

March 24th, 2011 — 8:46am

Habe ja zuvor wortreich versucht zu erklären, warum ich die SPD die richtige politische Heimat finde. Gerade ist mir nochmal eine kürzere Variante eingefallen. Also, was meint eigentlich nochmal soziale Gerechtigkeit?

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9eDJ3cuXKV4[/youtube]

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Was ich von der – meiner – SPD erwarte

March 17th, 2011 — 12:26pm

Jetzt bin ich also Genosse. Wie ich an anderer Stelle dargelegt habe, hatte das einen speziellen Entstehungszusammenhang, allerdings gibt es tiefere Gründe und die Entscheidung war natürlich schon länger gereift. Hatte konkret die Mitglied-werden Seite schon mehrmals aufgerufen, über die letzten Monate und auch schon mindestens einmal ausgefüllt…
Es ist natürlich unfassbar uncool, in einer Partei Mitglied zu werden. Keine Ahnung wieso genau und ob das früher anders war. Aber mein Eindruck ist definitiv so. Abgesehen davon, dass es einfach nicht dem Geist der Zeit entspricht, schon gar nicht hier in Berlin Prenzlauer Berg, habe ich den Eindruck, dass die Leute einem einen sofortigen Verlust von Urteilsvermögen und eigener unabhängiger Meinung unterstellen, sobald man sich dazu bekennt.
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SPD ist jetzt Kölschpartei

March 16th, 2011 — 9:23am

Jetzt bin ich also SPD-Mitglied geworden, bin noch etwas verkatert von der Aktion gestern – freue mich aber erstmal so nett aufgenommen worden zu sein!

Wie es dazu gekommen ist, kann man auf twitter nachlesen – ich wollte im wesentlichen die Genossen Richel und Boehning davon abhalten, in einer kölschen Kneipe durch den Genuss inadäquater Substanzen aufzufallen (angeblich war alkoholfreies Weizen, Milchkaffee und irgendein Pils im Spiel). Daraufhin formulierten wir einen deal, der auf “Kölsch für Mitgliedschaft” hinauslief…
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Warum es eben doch (auch) eine twitter-Revolution war

February 11th, 2011 — 10:01pm

Seien wir doch ehrlich – es ist auch unsere Revolution heute in Ägypten. Nicht, weil wir uns eingemischt hätten, oder unsere Politiker zu irgendwas bewegt hätten, mitnichten. Nein, ich denke es ist irgendwie auch unsere Revolution, weil sie mit twitter und Facebook funktioniert hat, und befeuert wurde. Klar wird das viel relativiert, und wahrscheinlich stimmt es auch nur hier und da. Aber wir glauben doch daran. Dass wirklich etwas Neues entsteht, eine neue Art sich zu vernetzen, zu organisieren und Begeisterung für etwas auszulösen. Es kann sogar Millionen Menschen auf die Strasse bringen für eine Sache, selbst unter Gefährdung Ihres Lebens. Und bei allem Leugnen und Relativieren – wir wissen doch tief in uns drin, dass twitter und Facebook eine zentrale Rolle gespielt haben. Sicherlich praktisch bei der ersten Mobilisierung, der Verbreitung der fürchterlichen Nachrichten von Selbstverbrennungen und der Ermordung eines Bloggers, der von Sicherheitskräften aus dem Internet-Cafe gezerrt und totgeschlagen wurde. Wahrscheinlich haben die Leute aber auch telefoniert und miteinander gesprochen, klar. Und die klassische Berichterstattung – insbs. über Aljazeera – hat sicherlich auch eine grosse Rolle gespielt, auch klar. Aber wir wissen, dass es eben doch auch und vielleicht vor allem eine twitter und Facebook-Revolution war. Weil wir es in uns selbst spüren, welch fundamentalen Wandel diese tools auslösen. Nicht nur, dass wir keine Zeitung mehr lesen und statt tatort, tatort+timeline kucken und es tausendmal amüsanter finden als je zuvor. Nein, vor allem die sozialen Funktionen von twitter und co sind unfassbar stark. Man vernetzt sich mehr, kriegt mehr voneinander mit. Vor allem aber findet man viel effizienter und spielerischer Gleichgesinnte und bleibt mit diesen in Kontakt. Ich meine – was mussten wir früher im Studium zum Beispiel für einen Aufwand dafür treiben, um gute Leute kennenzulernen? Abend für Abend in dämlichen Kneipen rumhängen, trinken, rauchen und jedes 10te mal war mal ein kurzer spannender Gesprächsfetzen mit irgendjemandem dabei. Dann hat man sich auch wieder aus den Augen verloren. Oder zum Unisport gehen, ganz schlimm. Zu den Medizinerparties. Beim Asta mitmachen oder in der Fachschaft. Da hing man dann und verpflichtete sich für monatelange Selbstverwaltungs-Sinnlosigkeit, nur um auf diesem Wege mit höherer Wahrscheinlichkeit ein paar auch Engagierte zu treffen, und mit denen etwas zu bewegen. Manchmal musste nur einer hinzukommen, und alles war schon wieder im Eimer. Also wieder in die Kneipen. Und so weiter.

Und dann in Kontakt bleiben. Ortswechsel. Telefonieren, gelegentlich sehen. Insbs. bei uns Typen heisst das doch in 99% der Fälle aus den Augen verlieren. Und selbst wenn man ein bisschen in Kontakt bleibt, heisst es einmal im Halbjahr sprechen, Klassentreffen usw. – erbärmlich. Getoppt wird es nur noch von dem, was passiert, wenn man dann in Arbeitsleben eintaucht oder gar Kinder bekommt. Sozialer Stillstand. Die Leute, die man dann noch kennenlernen kann, kommen meist aus extrem gefilterten sozialen Situationen, also Arbeitsplatz und Kita. Da kann man auch Glück haben, aber die Wahrscheinlichkeit dann noch jemand zu finden der politisch denkt wie einer, der einen ähnlichen Humor und Geschmack hat und vielleicht auch Adorno toll findet ist einfach mechanisch schonmal fast gleich null.

Und jetzt kommt twitter (und ein bisschen Facebook, ich finde aber twitter den mit Abstand besseren Service für das hier). Ich weiss, dass es vielen so geht, deshalb traue ich mich einfach mal das zu unterstellen. Twitter ist eine kleine soziale Revolution, selbst ohne Diktatur und mit dem Biobäcker um die Ecke. Spielend leicht Leute kennenlernen (selbst für absolute Telefon- und Smalltalkmuffel wie mich). Abchecken ob die interessant sein könnten, einmal Timeline kucken, followen, paar Tage beobachten und vielleicht mal ein Reply. Die Kennenlerntiefe, die man damit erzielen kann ist über normale Wege – also z.B. Kennenlernen auf einer Party oder im Fussballverein – manchmal nach Monaten oder gar Jahren erst erreichbar. Einfach weil man viel mühevoller etwas preisgibt von sich und vielleicht Jahre neben jemandem herarbeitet der eigentlich ein grossartiger Typ ist – allein man hat es nie gemerkt. Es gibt wirklich zahllose Stories auf twitter, wo Leute andere kennengelernt haben und begeistert darüber waren (wechselseitig und auch nach Treffen in RL). Wir selbst sind z.B. in unserem Heimatort Köln mal ein Päarchen besuchen gefahren die wir nur über twitter kannten, noch nicht mal unter Realnamen. Wir wussten einfach nur die Adresse. Sind hingefahren und es war ein wunderschöner, spannender Nachmittag. War ja auch klar. Wir kannten uns schon. Wussten, dass wir uns lustig und interessant finden, ähnliche Einstellungen haben usw. – das ist verdammt nochmal auch eine Revolution!

Aber zurück zu Agypten. Darum glauben wir, dass es eine twitter- und Facbeook-Revolution ist. Weil wir wissen, dass da eine Generation von komplett anders vernetzten und aktivierbaren Menschen heranwächst. Und weil es irgendwie allen langsam dämmert, dass das ein unglaubliches politisches Potential entfalten kann.

Als die Mubarak-Schergen über den Tahir-Platz eingefallen sind und auf twitter die Meldungen einprasselten von Schüssen, Molotow-Cocktails die in die Menge geworfen wurden und den ersten Toten war ich wie Ihr alle auch verzweifelt und unfassbar wütend. Wütend natürlich auf die Wichser dort, aber auch auf die westlichen Regierungen, die es versäumt hatten die Demokratie-Bewegung frühzeitig durch klare Statements und Diplomatie zu stützen. Ich musste kurz unter die Dusche, mich hielt es dort aber kaum, dann ging ich raus, trocknete mich kurz ab und nahm das iPhone um einen tweet an Obama zu schreiben. Keine Sorge – ich glaube jetzt nicht da was bewirkt zu haben mit meinem tweetchen. Aber eine Sache war trotzdem bemerkenswert. Ich hatte das Gefühl mich irgendwie einklinken zu können, bis hin zum pot. Gelesenwerden irgendeines Social Media Beraters der Obama-Administration. Gelesenwerden der Leute in Ägypten, die durch die tausenden anderen, die ähnliches taten wie ich merkten, dass wir bei ihnen waren, mitgefiebert haben, uns empört haben. Das war faszinierend und plötzlich ein Gefühl, dass ich viele Jahre nicht mehr kannte – im Prinzip seit den Demonstrationen gegen Wackersdorf.

Also wenn Ihr mich fragt – es ist auch eine verdammt geile InternetFacebooktwitter-Revolution die wir da sehen. Und das ist deswegen so geil, weil es so viel Potential hat überzugreifen und nicht mehr wegzugehen. Und das macht mich heute auch glücklich.

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Das Samsung Galaxy ist toll. Android ist toll.

November 29th, 2010 — 10:57pm

Ich hatte relativ lange ein iPhone 3G und fand es ziemlich gut – na ja, nach einigen Anfangsschmerzen zugegebenermassen.

Dann bin ich vor einigen Wochen auf das Samsung Galaxy umgestiegen – eine bewusste Entscheidung gegen das iPhone IV. Obwohl ich wusste, dass es ein grossartiges Teil werden würde. Und mich darin heute jedesmal bestätigt sehe, wenn irgendwer eines auf den Tisch legt (was ja ständig passiert. Wann hat zuletzt jemand ein Nokia auf den Tisch gelegt?).

Aber zurück zum Samsung Galaxy S und Android. Mir war völlig klar, dass das kein gutes Telephon sein würde – die Frage war im Prinzip nur wie unerträglich die Usability und wie billig die Hardware sein würde und ob man es doch irgendwie würde ertragen können.

Nun. Die Hardware ist…billig ist nicht ganz richtig. Klar, Gehäuse aus Plastik aber das kann man mögen. Ist leichter und dünner als das iPhone. Ebenfalls exzellentes Display mit hoher Auflösung. Wechselbarer Akku, SD-Slot.

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Lieber Hermann Scheerer

November 24th, 2010 — 12:19am

Ich bin ja im Allgäu gross geworden – genaugenommen in Hindelang (heute “Bad Hindelang”). Das war nicht immer ganz einfach, denn die CSU hat nicht umsonst dort Wahlergebnisse jenseits von 60% – seit Jahrzehnten.

Als ich auf Gynmasium kam waren ein paar Einheimische – darunter meine bis dato besten Freunde – aus dem “Oberdorf” heruntergekommen um mich zu verprügeln – angeblich bildete ich mir ein etwas besseres zu sein usw. Mein grosser Bruder klärte die Situation.

Das Gymnasium selbst war nicht viel besser, ein 70er Betonklotz, geleitet von einem Strauß-Spezl und natürlich mit eisernen Prinzipien. Aber dennoch auch ein Fluchtort, Fenster zur Zivilisation und tatsächlich erster Hinweis auf “it get’s better”. Das hatte natürlich viel mit bestimmten Lehrern zu tun – wir wurden ja von einer lustigen Mischung aus 68ern und denen die diese einst bekämpften unterrichtet (z.B. Herr Madajewski der bis heute der Grund ist warum ich keine Komma-Regeln beherrsche).

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Zurück auf die Bäume – wie Deutschland seine digitale Zukunft versemmelt

November 18th, 2010 — 8:48pm

Ich weiß, die meisten können es schon nicht mehr hören – ich auch nicht. Aber als heute Google Streetview gestartet ist und aus allen Ecken die „mein Haus ist verpixelt!“ Meldungen eintrafen und ich auch sah, dass unser Haus rechts und links von verpixelten Fassaden eingerahmt ist, ist mir einfach nochmal deutlich geworden, wie krank das alles ist.

Deutschland verspielt seine digitale Zukunft und die Spiesser, Nix-Raffer und wider besseres Wissen Hetzer definieren die Agenda. Was für ein Trauerspiel. Continue reading »

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